Digitale Währung: Central Bank Digital Currency?

Das Bargeld ist tot, es lebe das Bargeld!

Bargeld, das war doch schon immer da, oder?

Für einen Großteil der europäischen Verbraucher gibt es keine alltäglichere Handlung, als den Austausch von Gütern gegen Geld in jedweder Form. Anhand dieser Selbstverständlichkeit wird deutlich, dass sich viele dem Ursprung des Euros, sowie seiner Reise seit Entstehung nicht mehr bewusst sind. Dies ist bemerkenswert, zumal die letzte Währungsreform, welche die Aufgabe nationaler Währungen, wie der deutschen Mark oder der niederländischen Gulden zur Konsequenz hatte, erst 18 Jahre her ist.  Da die EZB nun über eine nicht minder radikale Reform des europäischen Währungsraums diskutiert, ist eine kleine Auffrischung unserer Meinung angebracht.

 

Bargeld und die Evolution des Payments

Bargeld bzw. der physische Geldwert nationaler Währungen, sowie die damit verbundene Kauf- und Tauschkraft durchlief seit Einführung diverse Evolutionsstufen. Nach Durchführung erster Transaktionen im Tauschgeschäft, war schnell deutlich, dass ein vom Tauschinteresse unabhängiger Wert geschaffen werden musste, welcher breite Akzeptanz findet. Zunächst waren dies Muscheln, später Münzen. Der erste Token war geschaffen. Schnell lagen die logistischen Nachteile einer Münzwährung, das Gewicht, auf der Hand und Europa wurde durch die Einführung einer papierhaften Währung das erste Mal zur „Copycat“ von China. Seit dieser Einführung im 15. Jahrhundert, sollte es bis auf die Ergänzung um Plastikgeld vorerst keine Payment-Innovationen im Sinne Schumpeters kreativer Destruktion geben.

 

Digitale Währung: Europa, einig Bargeld-Land?

Erst im Jahr 2019 wurde durch den Start der digitalen Euro-Initiative erstmalig seit der Beendigung des Projekts Monnet im Jahr 2012 die Art und Weise, wie in Europa bezahlt wird, genauer betrachtet. Besagte Betrachtung war weniger ein Resultat der Eigeninitiative oder Innovationslust der Europäischen Zentralbank, als vielmehr eine Reaktion auf die Einführung eines digitalen Yuan in China. Dieses Vorhaben wurde durch Amerika als Iterativinnovator in Form des digitalen Dollars im Jahr 2020 dankend adaptiert. Unglücklicherweise gelang es Europa im Gegensatz zu China bis heute nicht, über 90% der Bevölkerung für eine QR-Code basierte Payment Wallet zu begeistern, welche dem Apple Store an Vielfalt um nichts nachsteht. Daher stellt sich automatisch die Frage, ob sich die in China geschmiedete Passform einer Währungsreform auf Europa anwenden lässt. Besonders in Deutschland, welches die Vorzüge von Bargeld wie kein zweites in Europa nutzt, muss diese Frage kritisch gestellt werden. Abseits der Konsumentensicht ist ebenfalls die Rolle der Banken sowie der Händlerakzeptanz zu bewerten. Um diese Entwicklungen einordnen zu können haben wir uns mit dem Thema Central Bank Digital Currency (CBDC) auseinandergesetzt.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist Europa keineswegs in der Vorreiterrolle bei der Diskussion und strategischen Planung über die Einführung einer digitalen Währung. Ähnlich wie auch bei der European Payment Initiative (EPI) vormals Pan European Payment Systems Initiative (PEPSI) kann man von außen betrachtet eher von der Verkörperung des Snooze-Button-Nutzers sprechen, welche nun erschrocken aus dem Bett springt. Dies manifestiert sich in einer neu geformten Arbeitsgruppe, welche sich mit europäischen Umsetzungsmodellen bestehend aus der staatlichen, chinesischen Digitalwährung in Kombination mit dem Stable Coin-Ansatz der Libra Association auseinandersetzt. Als Stable Coin wird eine Blockchain basierte Währung definiert, welche durch Hinterlegung von Fiat-Geld kursschwankungsneutral Geldwerte sichert. Auf diesem Weg würde das Bargeld in heutiger Form als Zahlungsmittel durch digitale Token ersetzt, auf einer dezentralen Kontoverwaltung gespeichert und in Form einer Wallet in den Geldumlauf zurückgeführt werden.

 

Inwiefern sind die potentiellen Nutzer bereit für eine digitale Währungsreform wie CBDC?

Die seitens der EZB kommunizierten Vorteile liegen neben der ständigen Versorgung von Verbrauchern sowie der Hygieneverbesserung in Zeiten Coronas ebenfalls in der Digitalisierung eines in die Jahre gekommenen Finanzinstruments, dessen aktuelle Daseinsform diskutabel ist. Fraglich ist, ob ausschließlich die nahezu altruistische Endkundenfokussierung der EZB bei der Entscheidung über einen solchen Stable Coin Gewicht hat oder ob andere Begründungen nicht minder relevant sind.

Auch wenn die oben genannten Vorteile für den Verbraucher durchaus sinnig sind, bleibt die Frage, ob sie ausreichend sind, um deutsche und europäische Bargeldliebhaber zu überzeugen. Neben der rein psychologischen Komponente, welche der Besitz von Bargeld als Zahlungsmittel für Viele begründet, steht ebenfalls die des Datenschutzes, da Bargeld anonym ist. Eine Abwertung des Social Scores bzw. des Rankings der Versicherung nach Kauf einer Pizza ist somit nicht möglich. Auch der Ausfall der technischen Infrastruktur ist mit Bargeld zu umgehen. Obschon der E-Euro im Marketing der EZB selbige Kriterien beim Datenschutz wie die physische Variante erfüllen soll, ist dies allein aus Sicht des Geldwäschegesetzes und Terrorismusprävention vorsichtig ausgedrückt unwahrscheinlich.

Ebenfalls erwähnenswert in diesem Kontext ist, dass Bargeld in seiner heutigen Form keine negative Verzinsung erfahren kann. Bereits vor Verabschiedung des massiven Anleihepakets der EZB und der damit verbundenen Geschwindigkeit des Zinsverfalls, wusste der Verbraucher, dass sein 10€ Schein auch am Abend noch diesen Wert innehält. Auch wenn wir hier zu weit ausholen, muss die Frage „wer garantiert, dass der E-Euro kein vom Finanzmarkt abhängiges, dem Giralgeld gleichendes Finanzprodukt wird?“ gestattet sein, oder? Eine flächendeckende Akzeptanz ist somit aus Verbrauchersicht fraglich.

Trotzdem werden gegenüber Händlern die offensichtlichen Vorteile kommuniziert. Neben der Aufwandsreduktion – durchschnittlich werden sieben Schritte von Annahme des Bargeldes bis Gutschrift auf dem Konto benötigt – werden auch Kosteneinsparungen unterstrichen, da die Verarbeitung von Bargeld als Payment für den Händler relativ gesehen teurer ist als die zu entrichtende Gebühr an den Acquirer / Netzbetreiber. Doch auch hier liegen Nachteile auf der Hand. Neben möglichen Zusatzkosten der einzurichtenden Akzeptanz am Terminal, der Abhängigkeit auf eine 100%tige Verfügbarkeit und der Resistenz des Endkunden, alle Artikel mit dem E-Euro virtuell zu bezahlen, würde auch die letzte Bareinnahme, die an der Kassensicherungsverordnung vorbeigeschmuggelt wird, in Zukunft dokumentiert werden. Wenn also ein Händler die bereits aufgeführten Vorteile nicht als Weckruf zur Umrüstung auf „Card only“ verstand, bleibt die Frage nach dem Warum.

 

Warum die EZB nun auf die Überholspur auszuscheren scheint?

Auch wenn die deutsche Bargeldaffinität auf europäischer Ebene weniger relevant wirkt, ist das plötzliche Interesse der EZB auf den ersten Blick nicht vollends schlüssig, zumal andere Innovationen wie Alipay als digitales Ökosystem bis auf steuerliche Vorteile der Nutzer in Europa für wenig Dynamik sorgten. Ein offensichtlicher Punkt ist das durch andere Nationen (China) und Institutionen (Libra Association) geschaffene Momentum, welches den Handlungsdruck auf die Marktteilnehmer ohne Lösungsansatz erhöht. Auch klassische Kreditkarten-Brands wie Visa und MasterCard weiten ihre Tätigkeitsfelder in diese Richtung aus. Eine mögliche Reorganisation des Gebührenmodells in einer Post-Card-Scheme-Fee-Ära ist hierbei sicherlich ein angenehmer Nebeneffekt. Darüber hinaus kann eine zu erwartende Kosteneinsparung bei der Geldschöpfung als Treiber möglich sein. Diese wird steuerlich finanziert und würde bei einem Euro, welcher nicht abnutzt, nicht geschaffen oder vernichtet wird und durch ein hohes Maß an Fälschungssicherheit besticht, sicherlich an Relevanz gewinnen. Als Nebenschauplatz ist die Reduktion der Anonymität, welche „ausschließlich zur Terrorismusbekämpfung dienlich ist“, erwähnenswert. In diesem Kontext stellt sich unweigerlich die Frage, ob Verbraucher in Zukunft ein Konto bei der EZB halten und somit in puncto Bargeldversorgung die aktuelle Bankenstruktur obsolet machen. Neben dem zu erwartenden Chaos bei der Kontoeröffnung sowie der Verwirrung beim Endkunden, warum nun ein Konto bei der EZB existiert, könnte die fehlende Kundeninteraktion auch Implikation auf die Up-Selling-Strategie der Finanzprodukte im Retail Banking Sektor haben. Abschließend drängen sich Fragen bezüglich der Umsetzung in die Diskussion. Wie hoch ist die maximale Abgabemenge für den tagesüblichen Gebrauch? Besteht die Gefahr, die Währung wie Einlagen zu behandeln, da sie auf der Wallet lediglich in Form von Giralgeld präsentiert werden? Besteht eine Offenlegungspflicht bei Verdachtsfällen, welche in der aktuellen Situation durch das Raster fallen?

Obschon die geschaffene Arbeitsgruppe die vorliegende Thematik mit hoher Wahrscheinlichkeit aus allen Facetten beleuchtet hat, existieren vor der Ablösung des in Frankreich gestarteten Pilotprojekts durch einen Regelbetrieb im europäischen Währungsraum potentielle Stolpersteine. Entgegen der „Never change a running system“ Doktrin vieler bleibt zu hoffen, dass diese aus dem Weg geräumt werden, um das digitale Profil der EU im Banking und Payment auf internationaler Ebene zu schärfen.