Banking as a Service – Embedded Banking, Regulatorik und wie aus Partnern Wettbewerber werden

Wer sich in den vergangenen Monaten mit der privaten Geldanlage beschäftigt hat, der wurde häufig auf unterschiedliche Einlageangebote mit attraktiver Verzinsung aufmerksam. Risikoreiche Anlagemöglichkeiten, welche als „High Risk & High Return“ klassifiziert werden können, wie beispielsweise in Kryptowährungen, gehören, wie das aktuelle Handelsvolumen innerhalb Deutschlands aufweist, der Vergangenheit an. Folglich muss entschieden werden, ob ausreichend Wechselwille vorhanden ist, um auf eines der zeitlich begrenzten Lockangebote einiger lokaler oder internationaler Direktbanken einzugehen, oder die Einlagen von den blauen und roten Kollegen verwaltet werden sollen, trotz der Tatsache, dass diese nicht so ganz gewillt sind, den gestiegenen Einlagenzins an ihre Kunden weiterzugeben.

So oder so, deutlich wird, dass der Risikoappetit und Investitionswille von Verbrauchern durch antizipierte Unsicherheiten – Inflation, Krieg, gestiegenen Rohstoff- und Heizkosten, Zinsanstieg- und real sichtbarem Abschmelzen der Sparguthaben (durchschnittlich 5,5 %) gesunken ist. Dies spiegelt sich ohne Frage in diversen Branchen wider und hat nicht zuletzt zumindest einen Einfluss auf die Anpassung der Prognose zum Negativwachstum der deutschen Volkswirtschaft.

Doch sind es nur Verbraucher, die sich nach Sicherheit sehnen oder lässt sich dies analog auf die institutionelle Welt übertragen? Ergänzend drängt sich die Frage auf, wie kapitalintensive Firmen in der Payment-Industrie auf diese Situation reagieren und ob es gallische Dörfer gibt, welche trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Lage mit einem Produktportfolio abseits von „Save now, buy later“ Produkten Erfolge realisieren, während andere verschwinden?

 

Wind of change für Firmen im Wachstum

Im Juli 2022 wurde der europäische Leitzins das erste Mal seit Juli 2011 von der EZB angehoben. Doch bereits vor dieser Erhöhung sowie den in Summe zehn nachfolgenden Korrekturen des Leitzinses war für viele junge Unternehmen klar, dass sich das Investmentverhalten institutioneller Investoren anpassen wird. Diese Annahme materialisierte sich in einem Rückgang von Investitionen in risikoreiche Sparten, wie beispielsweise dem Venture Capital. Zugesicherte Finanzierungsrunden platzten, vormals gefeierte „Unicorns“ mussten über zehn Prozent ihrer Belegschaft entlassen und Private Equity Firmen sowie Venture Capital Fonds erklärten, dass Profitabilität und nicht der stets beliebte Hockey Stick, welcher das Neukundenwachstum darstellt, weiterhin die relevanteste Messgröße ist und bleibt, auch wenn das in der Vergangenheit nicht so aussah. Trotz dieser grundsätzlichen Veränderungen in der Geschäftsrealität vieler FinTechs gab es Unternehmen, welche entgegen dem Trend vom Risikokapital zur Einlagenverzinsung wuchsen. Diese Firmen spezialisierten sich auf Dienstleistungen, die vormals klassischen Banken zugeordnet wurden. Differenzieren können sich diese Firmen, da sie sich häufig auf einen Teil der gesamten Produktpalette einer Bank spezialisieren und diese als Dienstleistung an FinTechs und Unternehmen vermieten. Dem aufmerksamen Leser wird sicher bereits der Gedanke gekommen sein, dass es sich um Firmen im Bereich Banking as a Service (BaaS) handelt. Dennoch bleibt die Frage, warum ein Markt der weitläufig zwischen Infrastruktur-Anbietern – FIS, Avalog, Sopra Steria oder dem Young Star Mambu – und Banking-Anbietern – Solaris, Trezoor, Modulr oder Raisin – als aufgeteilt gilt, regelmäßig Innovationen und daraus abgeleitete Geschäftsmodelle hervorbringt.

 

Warum ist Banking as a Service so attraktiv?

Banking as a Service ist kein komplett neues Konzept, da seit einigen Jahren populäre Anbieter wie die aktuell von der BaFin beaufsichtigte Solaris Bank, Banking Circle oder TrueLayer genau diese Dienstleistung als Kernprodukt vertreiben. Wie der Name bereits vermuten lässt, verbirgt sich hinter dem Akronym BaaS die Bereitstellung von Bankdienstleistungen einer vollständig lizenzierten Bank an unlizenzierte Unternehmen. Auf diese Weise werden die nicht lizenzierten Unternehmen in die Lage versetzt, ihren Kunden Produkte anzubieten, welche früher Banken vorbehalten waren. Neben der Bereitstellung von Zahlungsverkehr innerhalb und außerhalb des Europäischen Währungsraumes sowie eines Kontos, gewannen in der Vergangenheit primär Firmen, welche sich auf die Ausgabe einer Kreditkarte im Firmenkundensegment spezialisierten, an Popularität. Durch das „Verleihen“ der Banklizenz besteht die Möglichkeit schnell, ohne hohes Eigenkapital und mit überschaubarem Personal als Finanzunternehmen im Markt Fuß zu fassen.

Der BaaS-Anbieter profitiert von der Inanspruchnahme, da neben Plattformgebühren für die Bereitstellung der Software ergänzend ein Entgelt für jede Transaktion gegenüber dem FinTech abgerechnet wird. Sollte sich das Fintech dazu entscheiden auch Kredite auszugeben, fällt ein ergänzendes Entgelt für die Bereitstellung des Eigenkapitals sowie der Ausgabe des Kredites, auch Fronting genannt, an. Die Summe der Einzelposten macht deutlich, dass der BaaS-Anbieter nicht durch die Bereitstellung eines Mandanten auf dem Kernbankensystem ernstzunehmende Erlöse generiert, sondern durch die Skalierung der Kunden auf Transaktionsbasis, ungeachtet, ob es sich um eine Kreditkartenzahlung, eine SEPA-Transaktion oder die Ausgabe eines Kredites handelt. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist nachvollziehbar, warum ADAC oder Amazon im Kontext Issuing-Processing so interessant sind. Und wenn es sich um Corporate Cards mit entsprechendem Aufschlag handelt, um so besser. Das viele BaaS-Anbieter der zweiten Generation stark technologiegetrieben agieren, wird anhand der Tatsache deutlich, dass der Verbraucher nicht immer erkennt, wer im Hintergrund die Payment Klaviatur von Processing bis Settlement bedient.

 

Embedded Finance ermöglicht die Verschmelzung zwischen Kunde und Kernbanksystem

Neben der Bereitstellung der regulatorischen Erlaubnis ermöglichen BaaS-Anbieter ihren Kunden die Dienstleistungen in das eigene Ökosystem einzubauen, sodass diese für den Kunden unsichtbar und aus Sicht des Prozesses nahtlos werden. In der Praxis werden Onboarding, Kontenverwaltung etc. in dem Frontend des FinTechs dargestellt, die relevanten Daten werden jedoch über entsprechende Schnittstellen im Kernbankensystem des BaaS-Anbieters verwaltet. Dieser Ansatz wird Embedded Banking genannt und geht über das weitläufig bekannte „White Lable“ weit hinaus. Trotz der Tatsache, dass dieses Modell durch intelligentes Marketing der BaaS-Kunden sowie der Etablierung der eigenen Brand im deutschen Markt an Beliebtheit gewonnen hat, taten sich viele der als Bank auftretenden Unternehmen schwer, den Weg zur Profitabilität über die Beteiligung an der generierten Interchange Fee oder einem Buchungsposten zu beschreiten. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Verbraucher oder Unternehmen ohne Zugang zu Kreditlinien bei einer etablierten Bank ins Ziel gefasst wurden und diese überschaubare Transaktionsvolumen generieren. Schlussendlich wird deutlich, dass BaaS-Nutzer zwar den Kundenkontakt besitzen, in der Wertschöpfungskette jedoch als Vermittler auftreten. 

 

Love it, leave it, change it

Gemäß diesem Motto, sind FinTechs mehr und mehr daran interessiert selbst Dienstleistungen anzubieten. Der modulare Ansatz der BaaS-Provider wird nun zweckentfremdend auf Regulatorik und ihre Grenzen angewandt. Konkret bedeutet dies, dass junge Unternehmen durch die Zulassung als Zahlungsdienstleister oder als E-Geld Institut nach Zahlungsdienste­aufsichtsgesetz (ZAG) selbst einen Platz in der Wertschöpfungskette einnehmen, den sie zuvor angemietet haben und auf diesem Weg den Mittelsmann ausschalten. Beispielsweise können E-Geld Institute in Deutschland Konten anbieten, zinsfreie Salden gutschreiben, am SEPA-Scheme teilnehmen oder unter bestimmten Bedingungen kurzfristige Kredite ausgeben.

Aufgaben, welche nicht im Fokus dieser Anbieter liegen, nicht durch ausreichend Eigenmitteln abgesichert werden können oder zu aufwendig sind, werden wiederum an Wettbewerber ausgelagert. So besteht die Möglichkeit, dass ein Unternehmen zwar Konten bereitstellt, den dahinter liegenden Zahlungsverkehr und das Clearing, das Issuing sowie die Kreditprüfung inkl. Fronting, Auszahlung und Servicing an Dritte auslagert. Der Endkunde sieht lediglich einen Anbieter, über den Dienstleistungen bezogen werden. Diese Strategie ist aus vielerlei Hinsicht interessant, da die Unternehmen Dienstleistungen in ihrem Kerngeschäft anbieten und darüber hinaus die Notwendigkeit einer beispielsweise Vollbanklizenz für sich prüfen können. Sicherlich möchten wir nicht die Rolle eines Trendbarometers einnehmen, dennoch empfinden wir die Anzahl der Zahlungsdienstleister und E-Geld Institute, welche in Deutschland Ihre Dienste anbieten dürfen, als höchst interessant.

 

Mehr als 390 Zahlungsdienstleister und 200 E-Geld-Institute dürfen ihre Dienstleistungen innerhalb Deutschlands anbieten. Der Relativierung halber muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass nicht alle im Bereich Banking as a Service tätig sind. Dennoch ist es für die in Summe 590 Lizenzhalter, welche in Deutschland agieren dürfen, relevant, auch weiterhin innovativ aufgestellt und regulatorisch abgesichert zu sein. Besonders die Implikationen für Zahlungsdienstleister und E-Geld-Institute, resultierend aus der Payment Service Directive 3 (PSD3) sowie der damit einhergehenden Verschmelzung von Electronic Money Directive 2 (EMD2) und Payment Service Directive 2 (PSD2) zur Payment Service Directive 3 (PSD3) und Payment Service Regulation 1 (PSR1) wird eine besondere Herausforderung darstellen.

 

PSD3

Der im Juni 2023 durch die Europäische Kommission veröffentlichte Entwurf der PSD3 schafft weitere spannende Anwendungsfälle für regulierte Unternehmen. Die PSD3 ergänzt durch die PSR1, welche als Verordnung direkt in deutsches Recht umgesetzt wird, geht einen weiteren Schritt in Richtung Harmonisierung des europäischen Zahlungsverkehrs. Basierend auf dem aktuell vorliegenden Entwurf der PSD3 sollen zukünftig E-Geld-Dienste und Zahlungsdienste zusammengelegt und unter dem Begriff des Zahlungsinstitutes subsumiert werden. Die PSR1 soll Änderungen am bestehenden Open-Banking-Rahmen einführen, die Hindernisse für die Bereitstellung offener Bankdienstleistungen beseitigen und letztlich Bank- und Finanzdienstleistungen stabilisieren und verbessern. Account Information Service Provider und Payment Initiation Service Provider werden zukünftig die Möglichkeit besitzen, benutzerdefinierte Schnittstellen zu erstellen und diese für die Verbindung mit Banken und anderen Finanzinstituten zu nutzen. Dieses Zusammenspiel aus Banking as a Service Dienstleistungen, Embedded Banking sowie innovativer Regulatorik ermöglicht bestehenden Firmen Wachstum und gibt Markteinsteigern eine Daseinsberechtigung. Diese Innovationskraft beantwortet die eingangs gestellte Frage, warum einige wenige Firmen in technologiegetriebenen Branchen bestehen, ein Großteil jedoch durch Insolvenz oder durch Konsolidierung vieler nicht wettbewerbsfähiger Firmen verschwindet.

 

Abschließend bleibt die Frage nach dem Ausblick und wie dieser aussehen kann. Werden BaaS-Firmen in ihrer heutigen Form in mittelbarer Zukunft bestehen können, oder ergreifen FinTechs die Chance, selbst einen Teil der Wertschöpfungskette abzubilden und nutzen BaaS-Anbieter, um weniger strategisch relevante Produkte auszulagern? Besonders der Einfluss der Regulatorik auf diese Fragen bleibt mit Spannung zu beobachten und wird zeigen, ob heutige Partner zukünftig zu Wettbewerbern werden.

Worldcoin – eine Krypto-Währung? Oder der heilige Gral der Authentifizierung?

Es ist das nächste große Ding. Oder soll es zumindest werden: Worldcoin – der nächste Geniestreich von Sam Altman, dem Kopf hinter ChatGPT. Doch was ist Worldcoin eigentlich genau? Einfach nur eine weitere digitale Währung? Oder ein Tool, das schon bald unsere Geschäftsprozesse und viele anderen Aspekte unseres Alltags beeinflussen wird?

Die ganze Einordnung finden Sie bei unseren Partnern der finanz-szene

Wie EPI (bei aller Skepsis) vielleicht doch ein Erfolg werden könnte

Die European Payments Initiative ist eben erst gestartet – und doch herrscht im Markt schon jetzt eine „EPI ist zum Scheitern verurteilt“-Stimmung. Verständlich ist die Skepsis allemal. Schließlich wirft der Plan eines europäischen Bezahlsystems unzählige Fragen auf. Etwa: Wofür braucht der Kunde ein weiteres Payment-Verfahren? Oder: Welche Motivation sollten PSPs und Händler haben, auf einen Erfolg von EPI hinzuwirken?

Gleichwohl: Statt den vielen Abgesängen einen weiteren hinzuzufügen, will ich heute lieber fragen: Was müsste passieren, um aus der European Payments Initiative (oder genauer: aus „EPI 2.0“) vielleicht doch ein Erfolgsprojekt zu machen? Dazu beleuchte ich zunächst die Perspektiven der beteiligten Parteien (Politik, europäische Banken, deutsche Banken, PSPs, Händler, Kunden) – um am Ende eine Reihe von Vorschlägen für die Zukunft von EPI zu formulieren.

Lesen Sie unsere Vorschläge bei unseren Partnern der finanz-szene

OSTHAVEN-Praxis: Optimierung der eCommerce-Zahlungsinfrastruktur für eine Omnichannel-Zukunft

Die Zahlungsabwicklung im E-Commerce ist einem ständigen Wandel ausgesetzt. Händler werden immer wieder vor die Frage gestellt, wie sie sich für die Zukunft richtig aufstellen. Für die Marktanalyse und Ausschreibung von Zahlungs-Dienstleistungen werden daher oft die Experten von OSTHAVEN in Anspruch genommen. Heute geben wir Ihnen einen Einblick in eines unserer spannenden Projekte, das exemplarisch für viele weitere ähnliche Projekte steht. 

Ein großer Omni-Channel Händler steht vor der Herausforderung, die Abwicklung von PayPal- und Kreditkarten-Zahlungen auf seiner E-Commerce-Plattform auf neue Beine zu stellen. Der bisherige Payment Service Provider (PSP) des Kunden hat im Zuge der Marktkonsolidierung mehrere Wettbewerber inkl. deren PSP-Technologie übernommen. Um die internen Prozesse des PSPs zu vereinfachen, soll die bislang vom Händler verwendete Schnittstelle auf das Altenteil geschickt werden. Der Wechsel auf die vom bisherigen PSP als zukunftssicher auserkorene eigene Alternative soll dem Händler mit einem kleinen Werbekostenzuschuss (WKZ) schmackhaft gemacht werden. Da es in der Vergangenheit ohnehin von Zeit zu Zeit zu Systemausfällen und Fehlern in der Zahlungsabwicklung gekommen ist, ist beim Händler durchaus Bereitschaft zu einem Wechsel vorhanden. Die angebotene Alternative des PSP stellt sich jedoch nach intensiver Prüfung als nicht zu 100% geeignet heraus, da wichtige und häufig verwendete Funktionen nicht abgedeckt werden können. Folglich hat sich der Händler zu einer Suche nach weiteren Möglichkeiten entschlossen und für die Marktanalyse und Ausschreibung der PSP-Dienstleistung die OSTHAVEN GmbH beauftragt. 

Bei der Vorbereitung für das Projekt wurden vor allem die folgenden Punkte als besonders relevant für die Auswahl der neuen PSP-Schnittstelle identifiziert: 

Darüber hinaus sollen interne Prozesse zwischen Webshop und ERP weiterhin möglichst identisch ablaufen, so dass der interne Anpassungsbedarf in der IT-Entwicklung und bei den buchhalterischen Prozessen minimiert wird. 

 

Fachliche Anforderungen 

Besonders wichtig für das Geschäftsmodell des Händlers ist die zeitverzögerte Abrechnung der Transaktionen mit zweistufiger Autorisierung und Einlösung (Capture) über einen längeren Zeitraum. Für die Abwicklung von Abo-Modellen ist bei PayPal-Konten und Kreditkarten die Speicherung des Zahlmittels und die Zustimmung des Kunden für eine dauerhafte Verwendung erforderlich. Die Speicherung soll komplett beim PSP erfolgen, um so für möglichst geringe PCI-Anforderungen (der kürzeste Fragebogen SAQ-A ist das Ziel) beim Händler zu sorgen. 

Der auszuwählende Dienstleister muss Kreditkarten- und PayPal-Transaktionen aus allen Webshops des Händlers in drei Ländern verarbeiten können sowie PostFinance-Transaktionen im Schweizer Webshop. Vorkasse-, SEPA-Lastschrift- und Zahlungen gegen offene Rechnung wickelt der Händler ebenso wie das Scoring der Kundinnen und Kunden und die darauf aufbauende Zahlartensteuerung zur Betrugsvermeidung in Eigenregie ab. 

Da das Omnichannel-Business immer wichtiger wird und auch beim Händler einen großen Stellenwert einnimmt, werden die Omnichannel-Fähigkeiten der möglichen Dienstleister detailliert abgefragt. 

 

Technische Anforderungen 

Die Zahlungsabwicklung soll für Kundinnen und Kunden möglichst nahtlos im Händler Webshop eingebunden werden. Ein Absprung per Redirect wie in der Vergangenheit wird nicht mehr gewünscht. Das Look and Feel soll möglichst zu 100% vom Händler beeinflusst werden können. Aufgrund der weiterwachsenden Beliebtheit des E-Commerce ist eine jederzeit gewährleistete Performance (24/7) und eine entsprechende Garantie mittels Service-Level-Agreement (SLA) unerlässlich. Daneben wird die dauerhafte Verfügbarkeit einer Testumgebung gefordert, über die alle relevanten Geschäftsvorfälle analog zur Produktivumgebung getestet werden können. 

 

Auswahlprozess 

Alle in Frage kommenden Dienstleister erhalten die von OSTHAVEN zusammen mit dem Händler erstellten Ausschreibungsunterlagen. Darin enthalten ist eine detaillierte Beschreibung der fachlichen und technischen Anforderungen und ein Fragenkatalog zu weiteren Features im Angebot der Provider, die ggf. in der Zukunft genutzt werden sollen. Alle PSP erhalten die Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen. Die Antworten darauf werden allen Anbietern zugänglich gemacht. Alle Zahlungsdienstleister, die die Ausschreibungsunterlagen vollständig zurückschicken, erhalten die Möglichkeit, ihr Angebot in einem digitalen Workshop im Detail vorzustellen. 

Die verschiedenen Beteiligten auf Händlerseite erstellen im Nachgang der Workshops ihre Bewertungen der Anbieter anhand einer detaillierten Bewertungsmatrix, die vor der Ausschreibung gemeinsam entwickelt wurde. Um die verschiedenen Preiskomponenten vergleichbar zu machen, wird eine umfangreiche Simulation der Kosten für die nächsten 5 Jahre erstellt, in die Szenarien für verschiedene Geschäftsentwicklungen einfließen. 

Mit den zwei am besten bewerteten Unternehmen werden im Folgenden weitere Gespräche und Verhandlungen geführt. Es geht mit beiden noch einmal deutlich tiefer in die technischen und fachlichen Anforderungen hinein. IT-Experten des Händlers schauen sich die Schnittstellen-Dokumentationen der Konkurrenten hinsichtlich Machbarkeit, verwendeten Technologien, Aufwand und Risiken aus E-Commerce- und ERP-Sicht an. Dabei tauchen an verschiedenen Stellen Fragen und Probleme auf, die jedoch jeweils zwischen den Experten des Händlers und der Anbieter gelöst werden können. 

Am Ende entscheidet das Management des Händlers zugunsten des minimal teureren Anbieters insbesondere aus folgenden Gründen: 

 

Umsetzung 

Im unmittelbaren Anschluss an die Vertragsunterzeichnung beginnen die verschiedenen Teams des Händlers (IT E-Commerce, IT ERP, Buchhaltung, Kundenservice, Betrugsprävention) damit, die Schnittstellen-Anbindung zu konzeptionieren. Dabei wird besonderer Wert daraufgelegt, dass alle geänderten Prozesse zukunftssicher und performant ausgestaltet werden. So muss z. B. die Verarbeitung der Settlement-Files des PSP angepasst werden. Da ohnehin eine Änderung ansteht, wird statt der in der Vergangenheit verwendeten Batch-Verarbeitung auf eine Verarbeitung der Einzeltransaktionen über eine Schnittstelle (API-Verarbeitung) umgestellt. Dies führt zu einem höheren Automatisierungsgrad, einer beschleunigten Abarbeitung und dauerhaft geringerer Last auf den Systemen. Im E-Commerce wird eine deutlich verbesserte Überwachung der Interaktionen der Kundinnen und Kunden implementiert, so dass Probleme mit Hilfe von automatisiertem Monitoring und regelbasierter Alarmierung deutlich schneller erkannt werden können. 

Für Kundinnen und Kunden wird der Prozess deutlich einfacher, da sie durch die verbesserte Verwendung der Tokenisierung keinerlei Zahlungsdaten mehr eingeben müssen, wenn sie der Speicherung ihrer Daten zustimmen. So entfallen beispielsweise die Eingabe des dreistelligen CVC-Codes bei Kreditkartenzahlungen oder die Anmeldung bei PayPal. 

Der Go-Live der einzelnen Webshops, d. h. die Umstellung vom alten auf den neuen PSP, erfolgt sukzessive beginnend mit dem Kleinsten, der auch die geringste Prozesskomplexität aufweist. Dies hilft dabei, Fehler mit möglichst geringem Kunden-Impact zu erkennen und zu beheben. 

 

Erfolgsmessung 

Am Ende können nahezu sämtliche Ziele erreicht werden. Die fachlichen Anforderungen können durch den neuen Dienstleister vollständig abgedeckt werden, die Prozesse zwischen Webshop und ERP müssen nur geringfügig verändert werden und der Preis der Dienstleistung ist auf einem ähnlichen Niveau wie vorher. Durch die Umstellung auf moderne Technologien und durch verbesserte Prozesse in der Schnittstelle vom Webshop zum PSP können zudem weitere Verbesserungen erreicht werden: Die Abwicklung der PayPal- und Kreditkarten-Transaktionen erfolgt deutlich schneller und mit einer höheren Annahmequote von Kreditkarten-Zahlungen durch den Acquirer. Bei Kundinnen und Kunden mit gespeicherten Zahlmitteln sinkt zudem die Abbruchrate. 

Einzig der interne Aufwand ist leicht höher als zuvor geschätzt, da die PayPal-Anbindung über die Schnittstelle des neuen PSP und die Migration der Token vom alten zum neuen PSP höheren Abstimmungsaufwand der beteiligten Parteien erfordert als angenommen (Händler, PSP und PayPal bzw. Händler, alter und neuer PSP). Die dadurch leicht gestiegenen Implementierungskosten werden jedoch durch die höhere Conversion und den dadurch wachsenden Umsatz mehr als ausgeglichen. 

 

Erfolgsfaktoren 

Wesentliche Erfolgsfaktoren des Projektes sind die Erarbeitung der Anforderungen und die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen durch alle beteiligten Fachabteilungen. Durch die direkte Einbindung letzterer wurde auch eine größeres Commitment zum Projekt erreicht. Von entscheidender Bedeutung war zudem der Blick auf die Zukunftsfähigkeit des Anbieters insbesondere im Hinblick auf Technologien und Prozesse, die die spätere Implementierung erleichterten.  

 

Fazit 

E-Commerce-Händler verändern nur sehr ungern funktionierende Zahlungsprozesse, weil die Kunden an dieser kritischen Stelle im Checkout auf Veränderungen und insbesondere auf Fehler besonders sensibel reagieren. Mit einer gründlichen Aufnahme der Anforderungen und einer sorgfältigen Auswahl des dazu passenden Dienstleisters können Händler jedoch Probleme vermeiden, die Abläufe für ihre Kunden verbessern sowie relevante und ergebniswirksame Kennzahlen verbessern während sie ihre Zahlungsabwicklung fit für die Zukunft machen. 

Request to Pay (RTP): Romanze, Posse oder Krimi im Impro-Theater – Spannung bis zuletzt

Wer saß nicht schon einmal in einem dieser Krimidinner-Events und hat sich in vielleicht anheimelnder Atmosphäre vom Charme der Schauspieler in ein packendes Mordkomplott verwickeln lassen? Nun ja, wenn dann dieses Event auch noch durch ein Impro-Theater dargeboten wird, ist der Ausgang und die Rollenverteilung zwischen Mörder(n), Adjutanten, Konspiranten und Mordopfer(n) oft umso undurchsichtiger und ungewisser. Und unter gewissen Umständen ist auch der ursprüngliche Mordgedanke nicht mehr primärer Zweck dieser Unterhaltung.

Theater sind oft nur Abbilder unserer alltäglichen Lebensumstände. Und da auch in der Welt der Zahlungsabwicklung diese gespiegelte Realität ihr „Vorbild“ sucht, hat sich mit „Request to Pay“ das passende Szenario für dieses Schauspiel gefunden.

Das ganze Schauspiel finden Sie bei unseren Kollegen der finanz-szene

Lang lebe die girocard…

Der Abgesang auf die beliebteste Bezahlkarte hierzulande wurde schon oft angestimmt – auch nun wieder, wo mit der bevorstehenden Einstellung von Maestro auch die angestammte Co-Badge-Lösung der girocard vor dem Aus steht. Doch ist die girocard wirklich dem Tode geweiht? Wer profitiert von dieser Panikmache? Und wie geht es mit der girocard weiter?

 

Woher kommt eigentlich die girocard?

Jeder in Deutschland kennt sie und nennt sie wahrscheinlich immer noch „ec-Karte“: die girocard. Nur die Älteren unter uns werden sich noch daran erinnern, dass diese als Scheckkarte und reine Zahlungsgarantiekarte vor über 50 Jahren von deutschen Banken ausgegeben wurde. Zu dem Zeitpunkt wusste man nicht, dass mit dieser Eurocheque-Karte der Grundstein für das spätere elektronische Bezahlen gelegt werden würde. Mithilfe des Magnetstreifens wurde die Karte später um eine Debitfunktion erweitert und man konnte Bargeld an den Geldautomaten abheben oder zusammen mit der Geheimzahl (PIN) in der Tankstelle, im Lebensmitteleinzelhandel oder Restaurant bezahlen. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass „ec“ ursprünglich als Bezeichnung für das Eurocheque-Verfahren galt und man daraus sowohl das „electronic cash“ als auch das lange verwendete Logo für die heutige girocard abgeleitet hat. Interessant dabei ist die Tatsache, dass die Rechte für die Marke und das Logo bei Mastercard liegen und die Verwendung durch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) auf einer Vereinbarung dieser beiden Parteien basierte. Dieser Umstand führte 2007 zur Entwicklung einer eigenen Wort- und Bildmarke durch die DK für die girocard. Es dauerte aber noch viele Jahre bis man auch Geld für das Marketing in die Hand nahm, um sich dann endgültig von der Markenabhängigkeit zu lösen. Manche fest verankerte Namen bekommt man allerdings nur schwer aus dem Kopf und so nennen auch heute noch viele die girocard „ec-Karte“.

Seit Anfang des neuen Jahrhunderts wurden die Karten dann sukzessive mit einem EMV-Chip ausgestattet, was sowohl die Sicherheit als auch die Zahl der möglichen Anwendungen erhöhte – wie zum Beispiel die Geldkarte oder das kontaktlose Bezahlen. Mittlerweile liegen im Jahr 2022 die kontaktlosen Bezahlvorgänge mit der girocard bei weit über 70 Prozent und sie wird auch in Bezahl-Apps wie „Mobiles Bezahlen“ der Sparkassen, der „Pay“-App der Volks- und Raiffeisenbanken oder der Apple Pay Wallet hinterlegt, um damit smart und digital am POS zahlen zu können. Und in den E- und M-Commerce hat es die digitale girocard mittlerweile (und viel zu spät) dank der Apple Pay-Lösung der Sparkassen auch geschafft. Die Integration als weitere „funding source“ in das neue giropay-Produkt der paydirekt steht kurz vor dem Launch. An dieser Stelle sollte noch erwähnt werden, dass erst durch den Discounter-Effekt, also dem Einstieg von Lidl (2003) und Aldi (2005), der Siegeszug und damit der starke Anstieg der girocard Transaktionen seinen Anfang nahm.

 

Des Deutschen liebste Karte…

Heutzutage ist die Marktabdeckung der girocard sowohl auf Seiten der Karteninhaber als auch bei den Akzeptanzstellen flächendeckend. Und das obwohl einige Privat- und Neobanken in den letzten Jahren das Produkt degradiert, aus dem Portfolio genommen oder gar nicht erst berücksichtigt haben, aber dazu später mehr. Laut einer repräsentativen Allensbach-Studie zur Nutzung und Akzeptanz von bargeldlosen Bezahlverfahren besaßen im Jahr 2021 rund 97 Prozent der befragten Bürger ab 16 Jahren in Deutschland eine girocard. Insgesamt sind über 100 Millionen dieser Karten im Umlauf und die Corona-Pandemie hat für eine beispiellose Steigerung der Akzeptanzstellen gesorgt.

In den letzten 3 Jahren wurden knapp 250 Tausend Akzeptanzstellen hinzugewonnen. Jetzt kann man endlich auch beim Bäcker um die Ecke mit der girocard zahlen… Und auch das Transaktions- und Umsatzwachstum kann sich sehen lassen. Erstmals wurde im Jahr 2022 laut EURO Kartensysteme die Marke von 3 Milliarden Transaktionen geknackt. Der Umsatz lag in 2021 bei 253 Mrd. Euro (134 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2022).

 

Maestro wird eingestellt – und was heißt das nun für die girocard?

Ist dann alles Gold was glänzt bei der girocard? Natürlich nicht, aber was in den letzten Wochen und Monaten an Presseartikeln oder Kommentaren zur girocard und insbesondere zur Einstellung des Co-Badge Maestro durch die MasterCard zu lesen ist, das grenzt an Ignoranz. Vielleicht wurde das vermeintliche Aus aber auch bewusst mit der Hoffnung im Netz gestreut, dass viele Artikel einfach blind voneinander abgeschrieben werden. Selbst sogenannte „Bezahlexperten“ sprechen von einem „nahen Ende der girocard“. Weitere Beispiele für Schlagzeilen, die man in letzter Zeit lesen kann, sind: „EC-Karte steht vor dem Aus“, „Die klassische EC-Karte hat in Deutschland wohl keine Zukunft mehr“ oder „Auslaufmodell girocard“. Um es mal gleich auf den Punkt zu bringen, das ist natürlich vollkommener Nonsens und man kann sich schon die Frage stellen, wer von dieser Panik- und Meinungsmache profitieren könnte?

Zunächst aber sollten wir uns mit den Fakten befassen. Mastercard hat sich schon länger mit der Einstellung von Maestro auseinandergesetzt. Dabei spielte die girocard keine Rolle, da es sich um ein weltweit verbreitetes Debitkarten-System handelt und das angekündigte Aus alle Länder in Europa betrifft. Dieser Schritt dürfte auch in anderen Teilen der Welt folgen. Tatsächlich handelt es sich bei Maestro nicht nur um ein eigenes Debitkarten-Brand, sondern um ein internationales Zahlungsnetzwerk mit einer von den Mastercard Kredit- und Debitkartennetzwerken getrennten technischen Infrastruktur, welches bereits 1985 gelauncht wurde.

In erster Linie werden daher die Realisierung von Synergieeffekten und Kosteneinsparungen die maßgebliche Rolle bei der Entscheidung von Mastercard gespielt haben. Ein weiterer wichtiger Faktor betrifft den größten Nachteil der Maestro-Karte, nämlich dass man diese grundsätzlich nicht im Wachstumsmarkt E- und M-Commerce einsetzen kann. Anders gesagt, die Issuer waren nicht verpflichtet diese für den E-Commerce zuzulassen und das war in Deutschland die Regel. Für den starken Trend zur Digitalisierung und den Onlinehandel haben Mastercard und Visa ihre neuen Debitkartenprodukte (Debit Mastercard bzw. Visa Debit) bereits seit einigen Jahren positioniert. Valerie Nowak erklärt als EVP Product & Innovation Europe Mastercard zur Abschaffung von Maestro: „Dabei geht es nicht ausschließlich um die Fähigkeit, eine Debit-Karte einfacher und problemloser in einer digitalen Umgebung zu nutzen. So kann eine Debit-Mastercard beispielsweise auch – genauso wie eine Mastercard Kreditkarte – dazu genutzt werden, für Reisebuchungen zu bürgen.“

 

Langer Übergangszeitraum lässt Maestro noch nicht sofort verschwinden

Maestro ist seit den 90er Jahren als Co-Badge und damit mit eigener Bezahlfunktion auf einer girocard integriert. Solange die Karten in Deutschland am Geldautomaten oder Bezahlterminal eingesetzt wurden, sind diese Transaktionen über das electronic cash-System (heute girocard) abgewickelt worden. Erst der Einsatz der girocard im Ausland oder an einem SumUp / Zettle Terminal (das sind die kleinen weißen Payment-Terminals, die keine girocard akzeptieren) führte zur Anwendung von Maestro mit seinem internationalen Zahlungsnetzwerk. Dabei erfolgte die Belastung des dahinterliegenden Bankkontos entsprechend der einer girocard grundsätzlich am nächsten Bankarbeitstag, so dass der Karteninhaber keinen Unterschied zu seiner lieb gewordenen Bankkarte empfand.

Und was folgt jetzt unmittelbar aus der Entscheidung von Mastercard in Bezug auf Maestro? Nur noch bis Ende Juni 2023 dürfen Maestro-Karten ausgegeben werden. Das Co-Badge Maestro auf girocard-Karten, die eine Gültigkeit über das o.g. Datum hinaus aufweisen, wird es weiterhin geben. Einer unserer Mitarbeiter hat vor kurzem eine neue Sparkassen-Card von einer der größten Sparkassen Deutschlands ausgestellt bekommen, weil seine alte Karte abgelaufen war. Die Gültigkeit dieser Karte ist auf 12/2026 datiert, insgesamt also über vier Jahre wird diese Karte sowohl über die girocard- als auch Maestro-Netzwerke laufen können.

 

Und wie bereiten sich die einzelnen Bankensektoren auf das Maestro-Aus vor?

Die Gültigkeitszeiträume der girocard liegen bei den meisten Banken im Bereich von vier Jahren und Entscheidungen in Bezug auf Kartenportfolien sind daher immer strategischer Natur. Allein bei den Sparkassen dürfte ein kompletter Austausch der rund 46 Millionen Sparkassen-Cards (so heißen die girocards im Sparkassensektor) zu Kosten in einem kleinen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag führen. Die Sparkassen haben sich daher schon vor langer Zeit strategisch für die girocard ausgesprochen und bereits im Jahr 2020 die Sparkassen-Card um die Option für ein Co-Badge mit Debit Mastercard (DMC) erweitert. Bisher haben freilich nur wenige Sparkassen davon Gebrauch gemacht, aber das wird sich ändern, je näher der Tag für den Stopp der Ausgabe von Maestro-Karten rückt. Und bestimmt hat Mastercard gehofft, mit der Einstellung von Maestro die deutschen Banken unter Zugzwang zu setzen. Zu gerne würde man den großen deutschen Markt und die girocard mit der eigenen Debitkarten-Brand ablösen. Auch Payment-Dienstleister wie SumUp oder Zettle, die keine girocard akzeptieren und aktuell auf das Co-Badge Maestro setzen, können ihr Geschäftsmodell fortführen, da sie bereits die internationalen Debit- und Kreditkartenbrands von Mastercard und Visa akzeptieren. Was ändert sich dann also bezogen auf die Existenz der girocard? Genau, nichts!

Im Hinblick auf die Sparkassen-Finanzgruppe könnte es durchaus sein, dass sich Mastercard ein Eigentor geschossen hat. Vielleicht fühlte man sich angesichts eines Maestro Co-Badge-Anteils von weit über 90 Prozent zu sicher, diesen auf die Debit Mastercard zu migrieren. Es wird aktuell kolportiert, dass Visa wohl 40 Prozent der Sparkassen-Institute für Visa Debit gewinnen konnte und dass, obwohl sich die Lösung noch in der Implementierung befindet und Mastercard einen Zeitvorteil von über 2 Jahren genießen konnte.

Der andere große Bankensektor, die Volks- und Raiffeisenbanken bereiten sich ebenfalls auf die Umstellung des Co-Badge auf Debit Mastercard bzw. Visa Debit vor. Auch der Genossenschaftssektor hat sich langfristig für die girocard entschieden und auch in Bezug auf die mögliche Teilnahme an EPI 2.0 scheint bei den Genossen das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein. Zusammen kommen die beiden Bankensektoren auf weit über zwei Drittel der girocard-Karten und selbst ohne die Privatbanken ist die girocard mittel- bis langfristig nicht am viel beschworenen Ende.

Aber auch die Privatbanken bereiten sich mit einiger Verzögerung auf den Wechsel des Co-Badge vor. Auch für diese Banken gelten die DMC und Visa Debit als die primären Lösungen, wodurch der weitere Einsatz der girocard im Ausland über den 1. Juli 2023 hinaus ebenfalls gesichert wird. Wie am Anfang erwähnt, gibt es Direkt- und Neobanken, die entweder ganz auf die girocard verzichten oder diese im Vergleich zu den internationalen Debitkarten-Brands herabgestuft haben. An dieser Stelle kann eine DKB, N26, Targobank, Comdirect oder Santander genannt werden. Wir als Payment Unternehmensberatung, fragen uns dabei aber immer, ob es hierbei tatsächlich um produktstrategische Aspekte geht (die wir nicht wirklich nachvollziehen können) oder ob doch eher die Incentivierungen durch die internationalen Kreditkartenorganisationen (KKO) ausschlaggebend sind. Es gibt aber auch andere Beispiele für die Expansion der girocard, wie die Planungen der US-Großbank J.P. Morgan Chase zeigen, die anscheinend an einer Lizenz für die Ausgabe von girocards in Deutschland arbeiten.

 

Was denken Kunden und Händler?

Dem Kunden und Karteninhaber kann es dabei eigentlich egal sein und solange die Karte akzeptiert wird und funktioniert sowie die Belastung auf dem Konto am nächsten Tag erfolgt, wird er sich nicht beschweren, ganz gleich ob er eine Debit Mastercard, Visa Debit oder girocard in der Hand hält oder in der digitalen Wallet hinterlegt hat. Er könnte höchstens nostalgische Gründe für eine Ablehnung aufführen, weil er die girocard so liebgewonnen hat oder er amerikanischen Unternehmen grundsätzlich kritisch gegenübersteht. Auf der Akzeptanzseite steht der stationäre Handel in Deutschland weiterhin fest zur girocard, nicht zuletzt wegen der hohen Marktabdeckung, aber insbesondere auch, weil diese im Kostenvergleich mit den internationalen Debitkarten deutlich günstiger ist. Einige Händler nutzen die girocard auch immer noch für die Abwicklung der garantierten Lastschrift, wobei die Marktanteils- und Bedeutungsverluste der Lastschrift ggü. der girocard in den letzten Jahren recht deutlich waren.

Wir können also festhalten, dass die girocard auch nach Ende der Kartenausgabe von Maestro weiter läuft und kein Auslaufmodell oder gar dem Tod geweiht ist. Entweder weil die girocard zunächst weiterhin mit einem funktionierenden Maestro Co-Badge versehen ist oder dieser Co-Badge durch die DMC oder Visa Debit ersetzt worden ist.

 

Und wohin geht die girocard-Reise …?

Ist somit alles gut mit der girocard und wir können uns wieder hinsetzen?

Mitnichten! Wie am Anfang kurz erwähnt, hat die girocard und damit die DK den Trend für den Onlinehandel vollkommen verpasst. Die starke Positionierung der girocard im stationären Handel konnte im E- und M-Commerce nicht erreicht werden. Ganz im Gegenteil, sie ist dort nicht existent. Es ist sehr schwer zu verstehen, warum die girocard nicht bereits vor vielen Jahren als eigene Zahlart im Checkout eingeführt wurde. Statt diesen Schritt mit großer Verzögerung nachzuholen, wurde strategisch entschieden, die digitale girocard in Bezahlplattformen bzw. Bezahlverfahren einzubinden. Also wird man die girocard weiterhin nicht in Online-Shops oder Apps direkt als Zahlunsgart auswählen können. Dafür wird sie jetzt z.B. in das „neue“ giropay zusammen mit paydirekt integriert. Ob diese Weiterentwicklung von paydirekt mit der Integration der girocard zu einer Erfolgsstory wird, darf aufgrund der Historie bezweifelt werden, zumal EPI 2.0 wohl noch nicht vom Tisch ist und man sich zwei parallele Online-Lösungen nur schwer vorstellen kann.

In dieser Hinsicht kann man die Bemühungen der EURO Kartensysteme (EKS) als Gemeinschaftsunternehmen des deutschen Kreditgewerbes und verantwortlich für die Vermarktung und das Business Development der girocard nur begrüßen. Im Austausch mit Marktteilnehmern und dem Handel (insbesondere dem Onlinehandel) werden Anforderungen für eine digitale girocard sowie entsprechende Use Cases für den E-Commerce definiert. Dabei soll die EKS wohl eine stärkere Rolle bei der operativen Weiterentwicklung der girocard am POS, aber insbesondere im E- und M-Commerce, einnehmen. Jede hierdurch zu erzielende Verbesserung des Time-to-Market und die Stärkung der Onlinefähigkeit der girocard kann man nur gutheißen und unterstützen. Wenn man dann die Produktstrategie und das Pricing wieder vereint, ist man nicht mehr weit von einem „richtigen“ Scheme entfernt. Es darf dabei aber nicht unerwähnt bleiben, dass die zukünftigen girocard Co-Badge-Karten mit der DMC oder Visa bereits online-fähig sind und direkt im E- und M-Commerce eingesetzt werden können. Es wird spannend sein zu verfolgen, wie sich dieser Wettbewerb auf der Karte zwischen den beiden Zahlverfahren entwickelt – aber das wäre dann mal echter Wettbewerb.

Vielleicht setzt man sich dann auch noch einmal mit der Doppelregulierung auseinander. Die girocard ist das einzige regulierte Verfahren in Europa, was von zwei Regulierungen betroffen ist. Neben der Interchange Fee Regulierung (MIF-Regulierung) müssen die Autorisierungsentgelte zusätzlich zwischen Händlern und Kartenherausgebern seit dem 1. November 2014 frei verhandelt werden. Die Trennung von Produkt und Preis hat zu einer starken Komplexität geführt und kann im Onlinehandel die Akzeptanz und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen alternativen Bezahlverfahren enorm beeinflussen.

Im Wachstumsmarkt E- und M-Commerce steht die girocard also noch ganz am Anfang und man wird sehen, ob man die starke Positionierung am POS auf den Onlinehandel übertragen kann. In diesem Marktsegment hat man viel zu viel Zeit verloren und es wird jetzt auf die richtigen Entscheidungen ankommen. Für den stationären Handel sind wir uns sehr sicher, dass die Zukunft der girocard langfristig für den Endkunden aber auch den Handel sichergestellt ist. Auf die Frage an den Geschäftsführer der EURO Kartensysteme Oliver Hommel in einem Interview mit dem IT-Finanzmagazin, ob es die girocard noch in 10 Jahren geben wird, gab er als Antwort an: „Ja, die girocard wird es in 10 Jahren noch geben!“ Und dem können wir uns nur anschließen…