„Zukunft des Handels: ein Ende des Payment Wettbewerbs?“

Payment ist kein Selbstzweck

Payment ist ein Wachstumsmarkt und es entstehen auch im Jahr 2020 beinahe täglich spannende Startups, neue Bezahlmethoden und interessante Partnerschaften. Es werden exorbitante Summen von Private Equity Firmen und anderen Marktteilnehmern für Paymentfirmen gezahlt, immer in der Hoffnung auf das noch größere Wachstum und die Gewinne in der Zukunft. Dabei sollte man jedoch nie vergessen, dass Payment kein Selbstzweck ist. Niemand braucht Payment um des Payments willen. Payment wird gebraucht, um Handel zu ermöglichen. Der Tausch von Waren und Dienstleistungen gegen Geldwerte ist der ureigene Zweck, warum es Payment Services gibt. Es hilft den vielen Firmen und Menschen, ihre Waren und Dienstleistungen an andere Menschen und Marktteilnehmer verkaufen zu können. Dass die Kunden und Verbraucher es toll finden, wenn dies möglichst einfach und reibungslos geht, ist klar. Vermutlich hätte aber auch niemand etwas dagegen, wenn man auf den lästigen Prozessschritt „Bezahlen“ gänzlich verzichten könnte. Insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund des Corona Virus und der Übertragbarkeit von Viren über Bargeld oder Bezahlterminals, verweisen viele Händler darauf, die Vorzüge des bargeldlosen und idealerweise sogar kontaktlosen Bezahlens zu nutzen. Das führt uns zu einer steilen These: der heilige Gral des Payments wäre es, sich selbst abzuschaffen – das Payment überflüssig zu machen. Naja, vielleicht nicht überflüssig, aber eben noch stärker in den Hintergrund zu treten und nahtlos in die Prozesse zu integrieren. Das heißt komplett geräuschlos. Ohne Interaktion.

Das Anstehen an der Kasse wird wegoptimiert

Schon seit geraumer Zeit haben die großen Supermarktketten EDEKA und REWE in Deutschland Services wie Self-Scanning für den Checkout als Piloten eingeführt, im Ausland schon viel früher. Die eigentliche Arbeit soll möglichst an den Endkunden ausgelagert werden, Kassierer werden dabei zunehmend überflüssig bzw. auf eine überwachende Funktion reduziert. Leider bleibt immer noch ein letzter Prozessschritt über – der Kunde muss noch bezahlen. Auch das Zahlen würde man dem Kunden gerne abnehmen und so entwickeln sich aktuell Konzepte wie Amazon Go. Saturn experimentiert ebenfalls mit dieser Art an unkomplizierter und nahtloser Kaufabwicklung, auch Real pilotiert solche Tests. Alle haben gemeinsam, dass sie auf die ein oder andere Art versuchen den Prozess des „Ware aufs Band legen und Bezahlen“ vollständig zu automatisieren bzw. abzuschaffen. In manchen Fällen muss der Kunde hier eine App nutzen, um dann selber die Waren zu scannen und am Schluss in der App oder an einem Bezahlterminal zu bezahlen. Im Idealfall geht der Kunde einfach mit der Ware in der Hand aus dem Laden, dabei erkennt Smart Technology den Kunden und die Ware und rechnet den Einkauf vollautomatisch ab, wie zum Beispiel bei Amazon Go. Der Kunde erhält seinen Bon oder eine Rechnung einfach in der App oder per Email zugeschickt, sobald er aus dem Laden gegangen ist. Diesen aus Kundensicht sehr einfachen Bezahlprozess kennt man schon vom Uber-Produkt. Alles, was der Kunde vielleicht noch merkt, ist die Abbuchung auf dem Konto oder er sieht den Eintrag auf der Kreditkartenabrechnung. Hierfür hat sich der Kunde im Regelfall vorher irgendwo registriert, z.B. in einer App, seine gewünschte Zahlart hinterlegt und die Zahlung einmalig autorisiert. Das besondere an diesen Prozessen ist, dass sie sich auffällig stark denen aus dem eCommerce angleichen. Der große Unterschied zum Bezahlen am POS ist, dass der Kunde nicht mehr bei jedem Kauf entscheidet, wie er bezahlt, sondern dies nur einmal festlegt und entsprechend für wiederkehrende Zahlungen in der Zukunft einmalig autorisiert. Entsprechend ist diese hinterlegte Zahlart für immer oder bei Kreditkarten bis zum Ablauf der Gültigkeit festgelegt. Der Wettbewerb der Zahlarten ist beendet, die Zahlungsmethode vordefiniert und fest eingespeichert. Amazon als der relevante Player im eCommerce überträgt seine Kompetenz aus der Online-Welt mehr und mehr auch in die Offline-Welt. Nach dem Kauf von Whole Foods, experimentiert Amazon mit Amazon Go nun mit eigenen physischen Stores und hat bereits angekündigt, diese Technologie auch anderen Händler anzubieten.

Aus IOT werden schnell Maschine-zu-Maschine-Payments

Immer mehr Geräte im Alltag sind im Jahr 2020 vernetzt, werden smart und zunehmend selbstständig. Gemeint sind inzwischen weit verbreitete Geräte wie Google Home oder Amazon Alexa, aber auch des Deutschen liebstes Spielzeug, das Automobil. Bis das Auto selbstständig die Bezahlung an der Tankstelle auslösen kann, wird nicht mehr viel Zeit vergehen. Erste Initiativen wie Shell SmartPay oder BPme gehen bereits in diese Richtung. Bezahlen, ohne den eigentlichen Bezahlprozess durchzuführen, geht auch bereits im Voice Commerce mit Amazon Alexa. Bei der Bestellung per Sprache wird das Einkaufserlebnis im Extremfall auf wenige Worte wie „Alexa, bestell neues Toilettenpapier!“ reduziert. In Zeiten von Corona, wo das Toilettenpapier zum Statussymbol mutiert, vielleicht gar nicht so schlecht. Keine langwierige Artikelauswahl mehr mit Preisvergleichen und Lesen von Bewertungen. Die Entscheidung über die Auswahl des Zahlmittels? Die ist einmal bei der Einrichtung erfolgt und wird nie wieder beachtet. Die Zahlung wird einfach ausgeführt. Auch an dieser Stelle gibt es dann keinen Wettbewerb der Zahlarten mehr.

Verschmelzung von POS und eCommerce führt zur Vereinheitlichung der Bezahlwege

Ein weiterer wichtiger Trend im Handel ist Omni-Channel. Als großes Buzzword von der Paymentindustrie durchs Dorf getrieben, schafft es dieser Trend so langsam in die Realität. Kunden erwarten und fordern ein einheitliches Einkaufserlebnis und das Auflösen der Grenzen zwischen stationärem Handel und Online-Handel. Für Kunden diverser Händler ist es inzwischen selbstverständlich die im Internet oder mobil gekaufte Ware im nächsten Laden umzutauschen und anders herum. Ist ein gewünschter Artikel im Laden nicht verfügbar, kann dieser problemlos nach Hause geliefert werden. Der Kunde erwartet ein durchgängiges Erlebnis, die hinterlegte Versandadresse sollte dem stationären Laden genauso bekannt sein wie dem Online-Shop. Ebenso verhält es sich mit den Zahlarten. Nahtlose Übergänge, Rückzahlungen und Bezahloptionen. Alles eine Selbstverständlichkeit aus Kundensicht. Für Unternehmen, Händler und Payment-Dienstleister bedeutet dies großzügige Umbaumaßnahmen, Vereinheitlichung der Legacy IT-Infrastrukturen, Anpassung der ERP-Systeme und -Prozesse sowie vor allem für Dienstleister natürlich, dass sie ein Angebot und eine Lösung aus einer Hand anbieten müssen. Der Händler braucht für sein Business alles, was der Kunde verlangt. Alle großen Payment-Anbieter haben sich inzwischen mehr oder weniger gut darauf eingestellt und ihre Systeme, Services und Lösungen optimiert. Hier zeigt sich, dass sich die beiden Welten nicht nur angleichen, sondern es gar überlappende, durchgängige und interaktive Warenwirtschaftsprozesse geben kann. Klar, dass dies auch zur Vereinheitlichung der Bezahlalternativen führen wird und dies bereits auch so wahrgenommen wird.

Die Zukunft des Payments ist der Hintergrund

Sein hart verdientes Geld abzugeben, macht selten Spaß. Quälend langsame Prozesse, mühsame Eingaben von Sicherheitsfeatures und das Merken all der 3DS Passwörter… so wirklich will das kein Mensch. Und ein Händler will eigentlich nur Umsatz machen, d.h. Conversion. Die Einzigen, die Umständlichkeit toll zu finden scheinen, sind die Regulatoren, die mit der PSD2 gerade die Latte noch ein wenig höher gehängt haben und dem Verbraucher das Bezahlen ein wenig schwerer machen werden. Umso mehr wird der Wunsch bei den Kunden reifen, diesen unerfreulichen Prozess aus dem Sichtfeld in den Hintergrund zu verbannen. Bezahlen mit einem kurzen Blick aufs Handy (FaceID & ApplePay oder Google Pay), einem kurzen Button-Click (PayPal OneTouch) oder einfach gemütlich aus dem Laden spazieren (Amazon Go) – der eigentliche Bezahlvorgang rückt in den Hintergrund, wird am besten beinahe unsichtbar. Diejenigen, die sich bei diesem großen Trend an erster Stelle platzieren können und die der Kunde als präferierte Bezahlmethode einspeichert, werden die Gewinner der nächsten großen Epoche des Payments werden. Je weniger der Kunde aktiv tun muss, um sich an dem Bezahlvorgang zu beteiligen, desto besser werden es die Kunden im Kontext eines mehrwertstiftenden Einkaufserlebnisses finden. Und dann wird sich lange nichts mehr ändern. Warum sollte der Kunde seine Zahlart wechseln, wenn alles still und leise im Hintergrund funktioniert? Welchen Anreiz hätte er denn? Ich meine… vermutlich keinen oder der Payment-Anbieter muss sich die Präferenz teuer erkaufen…

Etwas einfach erscheinen zu lassen, ist meist die größte Herausforderung

Das Unternehmen Apple investiert Millionen, wenn nicht gar Milliarden in die Entwicklung und das Design seiner Produkte. Es ist kein Zufall, dass iPhones derart leicht zu bedienen sind und ein sehr schlichtes Design haben. Wer schon mal versucht, hat ein Bild zu malen oder eine Webseite zu designen, der weiß, dass es wahnsinnig schwer ist, Dinge ganz elegant und schick aussehen zu lassen oder einen Endkundenprozess so zu gestalten, dass er sich ganz natürlich anfühlt. Dasselbe gilt, wenn man versucht das Payment in den Hintergrund rücken und alles ganz leicht erscheinen zu lassen. In der Tiefe ist Payment wahnsinnig fragmentiert und kompliziert. Es gibt eine Vielzahl an Protokollen, Regelungen und beteiligten Marktteilnehmern. Allein die neuerlichen Regelungen zur Strong Customer Authentication mit der Payment Service Directive 2 und dem damit einhergehenden neuen Standard 3DS 2.0 sind schwindelerregend kompliziert. Schaut man auf Deutschland ist insbesondere die sehr dezentrale und inhomogene POS Infrastruktur eine große Herausforderung. Hier den notwendigen Grad an Standardisierung und Harmonisierung zu erreichen, der notwendig sein wird, um für den Endkunden die Welt des Payments quasi unsichtbar zu machen, wird große Herausforderungen für Payment Service Provider, Netzbetreiber, Acquirer, Händler, Schemes und Regulatoren gleichermaßen bedeuten.

Wie herausfordernd Standardisierung sein kann, wenn man sie im internationalen Kontext herbeiführen will, das lässt sich in den letzten Jahren eindrucksvoll bei dem Versuch beobachten, einen einheitlichen Stecker-Standard zum Laden von Mobiltelefonen einzuführen. Seit Jahren versucht die EU dies voranzutreiben und die Hersteller, allen voran Apple, werden immer kreativer die Regelungen der EU zu umgehen. Vor ähnlichen Herausforderungen wird die Payment Welt stehen. Niemand der Anbieter in der Wertschöpfungskette wird ein großes Interesse daran haben, sich selbst überflüssig zu machen und sich in der Unsichtbarkeit verstecken zu lassen. Das Wettrennen der Payment Anbieter zum „Alles-Könner-Omni-Channel-Alles-aus-einer-Hand-Payment-Anbieter“ wird auch 2020 weiter gehen, denn jeder will genau das seinen Kunden anbieten können. Alles aus einer Hand, nahtlos integriert, weitestgehend im Hintergrund und dabei als Unternehmen doch noch selber gutes Geld verdienen.

Wir dürfen sehr gespannt sein, welcher Payment Anbieter es schaffen wird, all diese Herausforderungen seines Business bestmöglich aufzulösen. Klar ist, die Abgrenzung zwischen Online und Offline verschwimmt immer mehr und Vertreter beider Milieus versuchen dieses nahtlos abzudecken…