Krypto im Krieg?

Die Krypto-Szene hat einige bewegte Wochen hinter sich. Analog zu den weltweiten Börsenmärkten, aber in noch drastischerer Form sind die Kurse beinahe sämtlicher Krypto-Werte abgestürzt. Einige Krypto-Währungen sind gleich komplett vom Markt verschwunden (und mit Ihnen eine Menge Anlegerkapital) und auch einige Krypto-Startups haben den Absturz nicht überlebt. Man denke zum Beispiel an die Insolvenz des Nuri „Krypto Ertragskonten“ Partners Celsius Network, bei dem Kunden ihre Assets an Celsius Network übertragen haben, um im Gegenzug Zinszahlungen zu erhalten. Es bleibt hochfraglich, ob die betroffenen Anleger von ihrem Kapital etwas wiedersehen werden. Inzwischen ist auch Nuri selbst in die Insolvenz geraten, beteuert aber wiederholt, dass das Geld ihrer Anleger sicher sei.

Nach einhelliger Pressemeinung haben die harten wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen Russland nach dessen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überrascht und schwer getroffen. Allenfalls Nordkorea, Iran und vor vielen Jahren Kuba können in etwa erahnen, wie es Russland und seinen Bürgern derzeit ergeht. Weitestgehend abgeschnitten vom Flugverkehr, der Kauf von beliebten Apple Produkten quasi unmöglich, der Einsatz von Visa und Mastercard streng limitiert, die Buchung von Urlauben auf Ibiza unmöglich… und so viele andere Dinge, die nicht mehr in gewohnter Weise funktionieren. Der erwartete und nachvollziehbare Reflex? Der Ausweg über Krypto-Währungen. Versprechen diese doch Anonymität und Unabhängigkeit vom globalen Finanzsystem. Hier wähnt man sich sicher vor dem Zorn der westlichen Sanktionen.

Krypto-Währungen sind für eine Situation wie diese quasi geschaffen, sind jedoch bedingt durch steigende Zinsen und wirtschaftliche Unsicherheit weltweit ebenso wie die Börsenmärkte aktuell extrem unter Druck und damit zwar in der Theorie geeignet klassische (regulierte und sanktionierte) Finanzinstrumente und -märkte zu umgehen, in der Praxis aber auch entsprechend gefährlich und unsicher, da extrem volatil.

Die EZB Präsidentin Christine Lagarde beobachtet bereits verstärktes Ausweichen auf Krypto-Währungen und damit die Umgehung der sorgfältig vorbereiteten, strengen Sanktionen. In den ersten Tagen nach Kriegsbeginn beobachteten Insider auffällige Aktivitäten von mutmaßlich russischen „Krypto-Whales“, d.h. Anleger mit sehr hohem Anlagevolumen, die Krypto-Werte von Millionen Dollar bewegten. Die Vermutung liegt nahe, dass Anleger sich bemühen ihre Vermögen in Krypto-Werte umzuschichten, um Sanktionen des Westens zu entgehen. Bankguthaben insbesondere bei westlichen Banken können eingefroren, blockiert und vor allem beobachtet werden. Krypto-Guthaben und -Transaktionen sind sehr viel schwieriger zu kontrollieren und vor allem zu sanktionieren, da es oftmals gar kein Zugriff oder gar rechtliche Grundlagen bzw. Regulierung hierfür gibt. Die russische Sberbank versuchte sich gar darin direkt eine eigene Krypto-Währung, den Sbercoin auf den Markt zu bringen, um sich unabhängiger vom westlich geprägten Finanzsystem zu machen und sich auf einen Ausschluss von SWIFT vorzubereiten. Auch die enormen Marktbewegungen der letzten Monate und die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen für Anleger, insbesondere Privatanleger, ruft verstärkt Regulatoren auf den Plan, um Anleger und Investoren zu schützen. Neben dem reinen Bewegen von Finanzwerten über Blockchains, steht vor allem auch das Mining von Krypto-Werten im Fokus. So wird unter anderem vermutet, dass russische Energieunternehmen vom Export von Energieträgern auf Nutzung dieser Energie für Krypto-Mining umschwenken, um Exportausfälle durch entsprechende Krypto-Gewinne zu kompensieren. Mutmaßlich nutzt z.B. auch Nordkorea Krypto-Mining und Cyber-Angriffe sowie Ransomware, um so internationale Sanktionen zu umgehen und an Devisen in Form von Krypto-Werten zu gelangen.

Schon vor einer Weile habe ich prophezeit: Je gewichtiger der Krypto-Markt wird, umso mehr wird ihn Politik und Finanzsaufsicht regulieren wollen. Sobald der Krypto-Markt anfängt „Systemrelevanz“ zu entfalten, steigt der Druck, diesen Markt regulieren oder im Extremfall gar verbieten zu müssen. Die Idee hinter Krypto-Währungen ist gerade genau diesem Einfluss des „Systems“ entgehen zu können und unabhängig von Staaten und Finanzaufsichten zu sein. Gleichzeitig entsteht gerade dadurch Druck auf ebenjene Staaten und Finanzaufsichten nicht die Kontrolle über einen beträchtlichen Teil des internationalen Finanzgeschehens zu verlieren.

Die Sanktionen und insbesondere die Umgehung der Sanktionen über Krypto-Währungen halten nun ein Brennglas auf genau diese Situation. Kürzlich stand bereits ein Verbot von Proof-of-Work Krypto-Währungen in der EU im Raum, da diese besonders energiehungrig und damit umweltschädlich sind. Eine entsprechende Abstimmung konnte kurzfristig abgewendet werden. Durch die MiCa-Verordnung wird der Regulierungsdruck weiter steigen. Es ist absehbar, dass die MiCa Verordnung einen ähnlichen Verlauf wie die Payment Service Directive (PSD) nehmen wird, nämlich in verschiedenen Iterationen weiter verfeinert und verschärft werden wird. Die Regulatorik wird sich dem sich verändernden Markt anpassen und weiterentwickeln müssen. Die Umgehung von Sanktionen und Geldwäschegesetzen durch Krypto-Märkte werden also unweigerlich Folgen in Form einer sich verschärfenden Regulierung nach sich ziehen. Die verantwortlichen Politiker werden hierfür sicher dankend die Gelegenheit nutzen, die moralische Verwerflichkeit der Umgehung von Sanktionen durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieges zu begründen.

Für Krypto-Enthusiasten ist die aktuelle Situation somit Fluch und Segen zugleich. Segen, da die großen Krypto-Währungen aktuell wieder verstärkte Aufmerksamkeit erfahren – was normalerweise positiv zu werten ist, denn typischerweise steigt die Verbreitung durch höhere Aufmerksamkeit. Aktuell entsteht die Aufmerksamkeit aber vor allem durch krasse Kursverluste und Kapitalvernichtung und die Geldwäschevorwürfe der Politik. Aber auch Fluch, denn der Traum vom Geld abseits jeglicher Staatlichkeit und Regulierung wird damit zunehmend zu Nichte gemacht werden.

Europa schreitet voran und nimmt mit der Markets in Crypto Assets (MiCA) vor allem die Plattform-Betreiber durch eine Lizenzpflicht in die Haftung und will so Nachverfolgbarkeit von Geldflüssen herbeiführen und dadurch insbesondere Geldwäsche bekämpfen. Aber auch Klimaschutzauflagen, Rückforderungsrecht für Stable Coins und erste Regulierungsansätze für NFTs werden Bestandteil der neuen Regulierung.

Wir dürfen sehr gespannt sein, wie die weitere Evolution der Krypto-Währungen im Einklang mit der mitwachsenden Regulierung aussehen wird. Sicher werden auch die Krypto-Pioniere nicht müde, innovativ in die Zukunft zu schauen und sich neue Mittel und Wege auszudenken, sich ein Stückchen unabhängiger zu machen von der „klassischen Finanzwelt“.