Mobile Payment: zwischen Commodity und Partikularinteressen

Vor einigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass Samsung Pay, der mobile Bezahldienst des gleichnamigen südkoreanischen Technologieherstellers Ende Oktober in Deutschland starten wird. Hierfür ist Samsung eine Partnerschaft mit der FinTech-Bank Solaris und Visa eingegangen und kann auf diesem Weg die hiesigen Banken und Sparkassen umgehen. Hierdurch wird für Besitzer eines Samsung Smartphones – ausgenommen die Reihe Galaxy J und Galaxy M oder Smartwatch – die Möglichkeit geboten, neben dem bereits etablierten Checkout im E-Commerce, ebenfalls am physischen Point-of-Sale (POS) zu bezahlen. Darüber hinaus wird hierdurch neben Apple Pay und Google Pay ein weiterer Bezahldienst mit einem Potential von ca. 20 Millionen Endkunden gelauncht, welcher Folgen für das Geschäftsmodell sowie die weiterhin auf sich wartende Digitalisierung der girocard der deutschen Kreditwirtshaft haben kann.

Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die großen internationalen Anbieter (GAFAs) den Drahtseilakt der Verschmelzung einer optimalen Nutzererfahrung (UX) und unterschiedlichen Vertriebskanälen mit Bravour zu meistern scheinen, während Bemühungen nationaler Interessenverbände mehr dem zaghaften Trainingslauf über dem Fallnetz ähneln. Um die erwähnte Harmonisierung sowie Lösungen im Mobile Payment besser einschätzen zu können, ist eine Einordnung dieser sinnvoll. Aus diesem Grund ist zunächst die Frage zu beantworten, „Was ist Mobile Payment“ bzw. „Wie wird Mobile Payment definiert“?

Was ist denn nun Mobile Payment?
Um es vorab zu sagen, es gibt nicht die eine einheitliche und allumfassende Definition für das Mobile Payment. Wie bereits der Name impliziert, handelt es sich bei dem Begriff Mobile Payment um Zahlungen, welche über mobile Endgeräte eines Verbrauchers durchgeführt werden und bei denen weder Bargeld noch physische Debit- oder Kreditkarten involviert sind. Obschon bei granularer Einordnung Unmengen an Kategorien erstellt werden können, haben wir uns der Einfachheit halber auf zwei Oberkategorien verständigt. Diese heißen Proximity Payments am POS und Remote Payments im E- und M-Commerce und repräsentieren alle gängigen Anwendungsfälle, welche auf einem mobilen Endgerät durchgeführt werden. Dabei sprechen wir von einem „Omni-Channel-Zahlungsmittel“, da diese sowohl im stationären Handel (Proximity Payment) und mobil bzw. online (Remote Payment) eingesetzt werden können. Als Synonym wird Mobile Payment auch gern als „Wallet Payment“ verwendet, da diese E-Wallets entsprechende Zahlungsdaten digital speichern, jedochauch zusätzliche Anwendungen wie Loyalty, Couponing, digitale Tickets oder Bordkarten enthalten können.

Proximity oder Wallet Payment ist vielen besonders durch Apple Pay, Google Pay, PayPal Wallet und demnächst Samsung Pay ein Begriff. Bei dieser Art der Bezahlung wird (normalerweise) eine Debit- oder Kreditkarte digitalisiert, um diese auf einem Mobiltelefon für Bezahlprozesse zu nutzen. Durch den Kontakt zwischen Terminal und Mobiltelefon wird die Zahlung mit der digitalisierten Geldbörse angestoßen. Google setzt hierbei seit der Einführung mit Android 4.4 auf die „Host Card Emulation“ (HCE) Technologie. Selbiges gilt für die weniger benutzerfreundliche, jedoch für den Händler preiswertere Adaption von Mobile Payment, der digitalen girocard, wie sie die Sparkassen in der Bezahl-App „Mobiles Bezahlen“ anbieten. Apple hingegen steuert die NFC Schnittstelle mit einer eigenen Software an . Die erforderlichen Daten werden vom Secure Element zusammengefasst und verschlüsselt.

Nachdem die digitale Karte in die Wallet geladen wurde, kann die digitale Geldbörse wie eine Kreditkarte sowohl am physischen POS als auch im E- und M-Commerce genutzt werden. Hierfür ist neben der Installation auf dem Konsumentengerät lediglich die Händlerakzeptanz sowie ein kontaktlosfähiges Terminal notwendig. Besonders der nutzerfreundliche Bezahlprozess per Touch oder Face ID hat den Diensten bei Ihrer Verbreitung in Deutschland geholfen.

Mobiles Bezahlen mit dem Smartphone: Diverse Ausprägungen und Anbieter
Werden Waren und Dienstleistungen per Mobilgerät im E- und M-Commerce bezahlt, so spricht man von Remote Payments, da in diesem Fall das Internet den Vertriebskanal darstellt. Dabei können sowohl Mobile Wallets wie Apple Pay, Google Pay oder Samsung Pay genutzt werden oder spezielle Apps im Rahmen von In-App- oder App-to-App-Zahlungen. Der Begriff App Payment beschreibt die Bereitstellung von Bezahlmethoden in Form von Apps auf dem Smartphone. Dies können Applikationen sein, welche ausschließlich die Funktionalität des angebotenen Dienstes abbilden oder Dienste, welche mit Applikationen von Drittanbietern verbunden werden, um diesen eine Bezahlfunktionalität zu ermöglichen. Ein populäres Beispiel in diesem Kontext ist PayPal, welches sowohl eigenständig als auch im Checkout unterschiedlicher Onlineanbieter eingesetzt wird.

Anhand der Anzahl unterschiedlicher Ausprägungen sowie der Masse verschiedener nationaler und internationaler Anbieter und Dienstleister wird deutlich, dass mobiles Bezahlen nicht erst seit der Einführung von Apple Pay existiert. Besonders aus diesem Grund stellt sich unweigerlich die Frage, warum es so lange dauerte, bis eine einigermaßen kritische Masse Nutzen von dieser Technologie machte. Die Antwort lässt sich mit einem Begriff zusammenfassen: Partikularinteressen.

Partikularinteresse als Innovationsbremse
Ursprünglich wurde Mobile Payment durch die deutschen Mobilfunkanbieter getrieben. Durch die Einführung von Premium-SMS, waren diese in der Lage, Services wie beispielsweise das Jamba Sparabo, welches so manchen Mobilfunkvertrag in den dreistelligen Betragsbereich hob, abzurechnen. Basierend auf dieser Logik wurde versucht, auch normale Bezahlprozesse am POS abzubilden. Um dies zu realisieren, mussten Mobilfunkanbieter mit einem regulierten E-Geld Institut sowie einem Kreditkarten-Scheme als Technologiepartner kooperieren. Beispielsweise nutzten Vodafone sowie E-Plus die E-Geld Lizenz des heute insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard sowie payWave (Visa Card) bzw. PayPass (Master Card) zur technischen Abwicklung.

Wenn Interesse an der Nutzung der Wallet Bestand, wurde dem Kunden eine neue SIM-Karte (NFC-SIM) zugestellt. Auf dieser Befand sich das Secure Element, welches noch heute zur Sicherung der sensiblen Kreditkartendaten genutzt wird. Darüber hinaus konnten lediglich Mobiltelefone verwendet werden, welche durch den Telekommunikationsanbieter abgenommen und freigegeben wurden. Abgerechnet wurde über die monatliche Mobiltelefonrechnung. Unglücklicherweise wurde das Produkt nicht von den Konsumenten angenommen was zur Einstellung diverser Initiativen führte. Dies kann sowohl an der Eigenpositionierung der Telkos in der Wertschöpfungskette des Bezahlprozesses, der niedrigen Anzahl an NFC-fähigen Terminals mangels Non-Contactless Fees der Schemes, oder der fragwürdigen Auswahl angebotener Mobiltelefone gelegen haben. Erst nach der Portierung des Secure Elements auf das Endgerät sowie der Einführung der Bezahldienste durch die Hersteller inklusive dessen Marketingbudgets, gewann mobiles Bezahlen an steigender Aufmerksamkeit. Dies in Kombination mit den von Beginn kundenzentrierten Prozessabläufen, simplifizierter Nutzung sowie der korrekten Interpretation des Begriffs kanalübergreifend, wurde mobiles Bezahlen in vielen Ländern eingeführt.

Bezahlen mit dem Handy in Deutschland? Ein Blick auf das Nutzerverhalten
Nur Deutschland ließ sich Zeit. Möglicher Grund hierfür kann das häufig beschriebene Phänomen der bargeldliebenden Gesellschaft sein, jedoch auch das Eigeninteresse der deutschen Banken, den von Apple geforderten Anteil an der Interchange oder Händlerentgelten lieber auf den eigenen Ertragskonten zu verbuchen. Dies ging so lange gut, bis sich die erste deutsche Bank als Vorreiter positionierte und mit dem Start von Apple Pay in den Kampf um den Konsumenten zog.

In der Zwischenzeit zeigt sich, dass sich die Nutzung des mobilen Internets durch alle Generationen in Deutschland zieht. Eine Studie der Postbank, die vor Corona erhoben wurde, spiegelt wieder, dass die Smartphones alle anderen mobilen Geräte abgehängt haben und ein ständiger Begleiter der Menschen hierzulande sind. Knapp 80 Prozent der Bürger gehen mit ihrem Handy ins Netz, Laptops liegen bei 71 Prozent und zu Desktop-PCs und Tablets greifen 58 bzw. 47 Prozent, wenn diese ins Internet möchten. Die jüngeren Kundensegmente waren schon vor der COVID19-Pandemie fast permanent online und dabei meistens mit dem Smartphone unterwegs. Dabei dürfte der Lockdown wegen Corona und die anhaltenden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung diesen Trend noch verstärkt haben. Dieses Nutzerverhalten hat auch Auswirkungen auf das Mobile Payment und laut der aktuellen Bitkom-Studie geben ein Drittel der Bundesbürger an, Mobile Payment per Smartphone oder Smartwatch mindestens einmal verwendet zu haben. In der Umfrage aus dem Jahr 2016 waren dies lediglich acht Prozent.

Aufholjagd oder bereits abgehangen?
Aus der Entwicklung des mobilen Bezahlens in Deutschland wird sichtbar, dass der Gewinn des Kunden sowie dessen Interaktion mit einem angebotenen Dienst überlebenswichtig ist. Das dies auch die deutschen Banken verstanden haben, wird bei dem verzweifelten Versuch der Positionierung des Girokontos als Kundenkernprodukt deutlich. Nachdem mögliche Implikationen der PSD2 lange Zeit inkorrekt interpretiert wurden, bleibt jedoch unbeantwortet, ob dies noch realistisch ist. Erst als bereits andere Anbieter den durch bankeneigene Produkte dominierten Markt für sich eroberten, ließ die Selbstsicherheit der vermeintlichen Platzhirsche nach und eine klare Sicht auf die tatsächlichen Zustände wurde möglich. Ähnlich könnte es nach der Einführung von Samsung Pay mit dem deutschen Payment Markt aussehen.

Während die deutsche Kreditwirtschaft mit der Harmonisierung unterschiedlicher Interessenverbände und deren jeweiligen Bezahlmethoden zur Erreichung eins multikanalfähigen Produktes beschäftigt ist und #DK in letzter Instanz vom Phönix zum Papiertiger mutieren kann, werden 20 Millionen Verbraucher mit einer in Zukunft vorinstallierten App durch Samsung versorgt. Diese bietet neben dem kundenfreundlichen Onboarding über IBAN und qualifizierter elektronischer Unterschrift, der kanalübergreifenden Bezahlung von Waren und Dienstleistungen mit einer digitalen VISA Card und der Ausgabenübersicht in Form eines KPI Dashboards ebenfalls die Möglichkeit, Unterkonten anzulegen und Finanzierungen abzuschließen. Auf diese Art hat der durch die Solarisbank abgebildete Bezahldienst das Potential, alle relevanten Interaktionen für den Kunden zu übernehmen und die Kundeninteraktion mit dem Hauptkonto auf den monatlichen Lastschrifteinzug der Ausgleichszahlung zu reduzieren.

So verlieren klassische deutsche Banken Kunden, welche sich nach kurzer Bestätigung eines Akzeptanzvertrages im Neukundenportfolio der Solaris Bank AG wiederfinden. Und all das gibt es für einen bankenfreundlichen Revenue Share auf Basis der regulierten Interchange von 20 Basispunkten. Samsung hat verstanden, dass Konsumenten nur schwer von einem Service abweichen, wenn sie sich an die Annehmlichkeiten gewöhnt haben. Abzuwarten bleibt, ob dies auch von den aktuell in Umsetzung befindlichen Konkurrenzprojekten als Kundenanforderung und Fakt akzeptiert wird.