Banking as a Service – Embedded Banking, Regulatorik und wie aus Partnern Wettbewerber werden

Wer sich in den vergangenen Monaten mit der privaten Geldanlage beschäftigt hat, der wurde häufig auf unterschiedliche Einlageangebote mit attraktiver Verzinsung aufmerksam. Risikoreiche Anlagemöglichkeiten, welche als „High Risk & High Return“ klassifiziert werden können, wie beispielsweise in Kryptowährungen, gehören, wie das aktuelle Handelsvolumen innerhalb Deutschlands aufweist, der Vergangenheit an. Folglich muss entschieden werden, ob ausreichend Wechselwille vorhanden ist, um auf eines der zeitlich begrenzten Lockangebote einiger lokaler oder internationaler Direktbanken einzugehen, oder die Einlagen von den blauen und roten Kollegen verwaltet werden sollen, trotz der Tatsache, dass diese nicht so ganz gewillt sind, den gestiegenen Einlagenzins an ihre Kunden weiterzugeben.

So oder so, deutlich wird, dass der Risikoappetit und Investitionswille von Verbrauchern durch antizipierte Unsicherheiten – Inflation, Krieg, gestiegenen Rohstoff- und Heizkosten, Zinsanstieg- und real sichtbarem Abschmelzen der Sparguthaben (durchschnittlich 5,5 %) gesunken ist. Dies spiegelt sich ohne Frage in diversen Branchen wider und hat nicht zuletzt zumindest einen Einfluss auf die Anpassung der Prognose zum Negativwachstum der deutschen Volkswirtschaft.

Doch sind es nur Verbraucher, die sich nach Sicherheit sehnen oder lässt sich dies analog auf die institutionelle Welt übertragen? Ergänzend drängt sich die Frage auf, wie kapitalintensive Firmen in der Payment-Industrie auf diese Situation reagieren und ob es gallische Dörfer gibt, welche trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Lage mit einem Produktportfolio abseits von „Save now, buy later“ Produkten Erfolge realisieren, während andere verschwinden?

 

Wind of change für Firmen im Wachstum

Im Juli 2022 wurde der europäische Leitzins das erste Mal seit Juli 2011 von der EZB angehoben. Doch bereits vor dieser Erhöhung sowie den in Summe zehn nachfolgenden Korrekturen des Leitzinses war für viele junge Unternehmen klar, dass sich das Investmentverhalten institutioneller Investoren anpassen wird. Diese Annahme materialisierte sich in einem Rückgang von Investitionen in risikoreiche Sparten, wie beispielsweise dem Venture Capital. Zugesicherte Finanzierungsrunden platzten, vormals gefeierte „Unicorns“ mussten über zehn Prozent ihrer Belegschaft entlassen und Private Equity Firmen sowie Venture Capital Fonds erklärten, dass Profitabilität und nicht der stets beliebte Hockey Stick, welcher das Neukundenwachstum darstellt, weiterhin die relevanteste Messgröße ist und bleibt, auch wenn das in der Vergangenheit nicht so aussah. Trotz dieser grundsätzlichen Veränderungen in der Geschäftsrealität vieler FinTechs gab es Unternehmen, welche entgegen dem Trend vom Risikokapital zur Einlagenverzinsung wuchsen. Diese Firmen spezialisierten sich auf Dienstleistungen, die vormals klassischen Banken zugeordnet wurden. Differenzieren können sich diese Firmen, da sie sich häufig auf einen Teil der gesamten Produktpalette einer Bank spezialisieren und diese als Dienstleistung an FinTechs und Unternehmen vermieten. Dem aufmerksamen Leser wird sicher bereits der Gedanke gekommen sein, dass es sich um Firmen im Bereich Banking as a Service (BaaS) handelt. Dennoch bleibt die Frage, warum ein Markt der weitläufig zwischen Infrastruktur-Anbietern – FIS, Avalog, Sopra Steria oder dem Young Star Mambu – und Banking-Anbietern – Solaris, Trezoor, Modulr oder Raisin – als aufgeteilt gilt, regelmäßig Innovationen und daraus abgeleitete Geschäftsmodelle hervorbringt.

 

Warum ist Banking as a Service so attraktiv?

Banking as a Service ist kein komplett neues Konzept, da seit einigen Jahren populäre Anbieter wie die aktuell von der BaFin beaufsichtigte Solaris Bank, Banking Circle oder TrueLayer genau diese Dienstleistung als Kernprodukt vertreiben. Wie der Name bereits vermuten lässt, verbirgt sich hinter dem Akronym BaaS die Bereitstellung von Bankdienstleistungen einer vollständig lizenzierten Bank an unlizenzierte Unternehmen. Auf diese Weise werden die nicht lizenzierten Unternehmen in die Lage versetzt, ihren Kunden Produkte anzubieten, welche früher Banken vorbehalten waren. Neben der Bereitstellung von Zahlungsverkehr innerhalb und außerhalb des Europäischen Währungsraumes sowie eines Kontos, gewannen in der Vergangenheit primär Firmen, welche sich auf die Ausgabe einer Kreditkarte im Firmenkundensegment spezialisierten, an Popularität. Durch das „Verleihen“ der Banklizenz besteht die Möglichkeit schnell, ohne hohes Eigenkapital und mit überschaubarem Personal als Finanzunternehmen im Markt Fuß zu fassen.

Der BaaS-Anbieter profitiert von der Inanspruchnahme, da neben Plattformgebühren für die Bereitstellung der Software ergänzend ein Entgelt für jede Transaktion gegenüber dem FinTech abgerechnet wird. Sollte sich das Fintech dazu entscheiden auch Kredite auszugeben, fällt ein ergänzendes Entgelt für die Bereitstellung des Eigenkapitals sowie der Ausgabe des Kredites, auch Fronting genannt, an. Die Summe der Einzelposten macht deutlich, dass der BaaS-Anbieter nicht durch die Bereitstellung eines Mandanten auf dem Kernbankensystem ernstzunehmende Erlöse generiert, sondern durch die Skalierung der Kunden auf Transaktionsbasis, ungeachtet, ob es sich um eine Kreditkartenzahlung, eine SEPA-Transaktion oder die Ausgabe eines Kredites handelt. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist nachvollziehbar, warum ADAC oder Amazon im Kontext Issuing-Processing so interessant sind. Und wenn es sich um Corporate Cards mit entsprechendem Aufschlag handelt, um so besser. Das viele BaaS-Anbieter der zweiten Generation stark technologiegetrieben agieren, wird anhand der Tatsache deutlich, dass der Verbraucher nicht immer erkennt, wer im Hintergrund die Payment Klaviatur von Processing bis Settlement bedient.

 

Embedded Finance ermöglicht die Verschmelzung zwischen Kunde und Kernbanksystem

Neben der Bereitstellung der regulatorischen Erlaubnis ermöglichen BaaS-Anbieter ihren Kunden die Dienstleistungen in das eigene Ökosystem einzubauen, sodass diese für den Kunden unsichtbar und aus Sicht des Prozesses nahtlos werden. In der Praxis werden Onboarding, Kontenverwaltung etc. in dem Frontend des FinTechs dargestellt, die relevanten Daten werden jedoch über entsprechende Schnittstellen im Kernbankensystem des BaaS-Anbieters verwaltet. Dieser Ansatz wird Embedded Banking genannt und geht über das weitläufig bekannte „White Lable“ weit hinaus. Trotz der Tatsache, dass dieses Modell durch intelligentes Marketing der BaaS-Kunden sowie der Etablierung der eigenen Brand im deutschen Markt an Beliebtheit gewonnen hat, taten sich viele der als Bank auftretenden Unternehmen schwer, den Weg zur Profitabilität über die Beteiligung an der generierten Interchange Fee oder einem Buchungsposten zu beschreiten. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Verbraucher oder Unternehmen ohne Zugang zu Kreditlinien bei einer etablierten Bank ins Ziel gefasst wurden und diese überschaubare Transaktionsvolumen generieren. Schlussendlich wird deutlich, dass BaaS-Nutzer zwar den Kundenkontakt besitzen, in der Wertschöpfungskette jedoch als Vermittler auftreten. 

 

Love it, leave it, change it

Gemäß diesem Motto, sind FinTechs mehr und mehr daran interessiert selbst Dienstleistungen anzubieten. Der modulare Ansatz der BaaS-Provider wird nun zweckentfremdend auf Regulatorik und ihre Grenzen angewandt. Konkret bedeutet dies, dass junge Unternehmen durch die Zulassung als Zahlungsdienstleister oder als E-Geld Institut nach Zahlungsdienste­aufsichtsgesetz (ZAG) selbst einen Platz in der Wertschöpfungskette einnehmen, den sie zuvor angemietet haben und auf diesem Weg den Mittelsmann ausschalten. Beispielsweise können E-Geld Institute in Deutschland Konten anbieten, zinsfreie Salden gutschreiben, am SEPA-Scheme teilnehmen oder unter bestimmten Bedingungen kurzfristige Kredite ausgeben.

Aufgaben, welche nicht im Fokus dieser Anbieter liegen, nicht durch ausreichend Eigenmitteln abgesichert werden können oder zu aufwendig sind, werden wiederum an Wettbewerber ausgelagert. So besteht die Möglichkeit, dass ein Unternehmen zwar Konten bereitstellt, den dahinter liegenden Zahlungsverkehr und das Clearing, das Issuing sowie die Kreditprüfung inkl. Fronting, Auszahlung und Servicing an Dritte auslagert. Der Endkunde sieht lediglich einen Anbieter, über den Dienstleistungen bezogen werden. Diese Strategie ist aus vielerlei Hinsicht interessant, da die Unternehmen Dienstleistungen in ihrem Kerngeschäft anbieten und darüber hinaus die Notwendigkeit einer beispielsweise Vollbanklizenz für sich prüfen können. Sicherlich möchten wir nicht die Rolle eines Trendbarometers einnehmen, dennoch empfinden wir die Anzahl der Zahlungsdienstleister und E-Geld Institute, welche in Deutschland Ihre Dienste anbieten dürfen, als höchst interessant.

 

Mehr als 390 Zahlungsdienstleister und 200 E-Geld-Institute dürfen ihre Dienstleistungen innerhalb Deutschlands anbieten. Der Relativierung halber muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass nicht alle im Bereich Banking as a Service tätig sind. Dennoch ist es für die in Summe 590 Lizenzhalter, welche in Deutschland agieren dürfen, relevant, auch weiterhin innovativ aufgestellt und regulatorisch abgesichert zu sein. Besonders die Implikationen für Zahlungsdienstleister und E-Geld-Institute, resultierend aus der Payment Service Directive 3 (PSD3) sowie der damit einhergehenden Verschmelzung von Electronic Money Directive 2 (EMD2) und Payment Service Directive 2 (PSD2) zur Payment Service Directive 3 (PSD3) und Payment Service Regulation 1 (PSR1) wird eine besondere Herausforderung darstellen.

 

PSD3

Der im Juni 2023 durch die Europäische Kommission veröffentlichte Entwurf der PSD3 schafft weitere spannende Anwendungsfälle für regulierte Unternehmen. Die PSD3 ergänzt durch die PSR1, welche als Verordnung direkt in deutsches Recht umgesetzt wird, geht einen weiteren Schritt in Richtung Harmonisierung des europäischen Zahlungsverkehrs. Basierend auf dem aktuell vorliegenden Entwurf der PSD3 sollen zukünftig E-Geld-Dienste und Zahlungsdienste zusammengelegt und unter dem Begriff des Zahlungsinstitutes subsumiert werden. Die PSR1 soll Änderungen am bestehenden Open-Banking-Rahmen einführen, die Hindernisse für die Bereitstellung offener Bankdienstleistungen beseitigen und letztlich Bank- und Finanzdienstleistungen stabilisieren und verbessern. Account Information Service Provider und Payment Initiation Service Provider werden zukünftig die Möglichkeit besitzen, benutzerdefinierte Schnittstellen zu erstellen und diese für die Verbindung mit Banken und anderen Finanzinstituten zu nutzen. Dieses Zusammenspiel aus Banking as a Service Dienstleistungen, Embedded Banking sowie innovativer Regulatorik ermöglicht bestehenden Firmen Wachstum und gibt Markteinsteigern eine Daseinsberechtigung. Diese Innovationskraft beantwortet die eingangs gestellte Frage, warum einige wenige Firmen in technologiegetriebenen Branchen bestehen, ein Großteil jedoch durch Insolvenz oder durch Konsolidierung vieler nicht wettbewerbsfähiger Firmen verschwindet.

 

Abschließend bleibt die Frage nach dem Ausblick und wie dieser aussehen kann. Werden BaaS-Firmen in ihrer heutigen Form in mittelbarer Zukunft bestehen können, oder ergreifen FinTechs die Chance, selbst einen Teil der Wertschöpfungskette abzubilden und nutzen BaaS-Anbieter, um weniger strategisch relevante Produkte auszulagern? Besonders der Einfluss der Regulatorik auf diese Fragen bleibt mit Spannung zu beobachten und wird zeigen, ob heutige Partner zukünftig zu Wettbewerbern werden.