Zwischen Krypto-Winter und NFT-Frühling

Kryptowährungen und der damit zusammenhängende Kauf, die Verwahrung oder gar die Anlage dieser Vermögenswerte ist bereits seit mehreren Jahren in der Mitte der finanz- und technologieinteressierten Gesellschaft angekommen. Die zunächst als vollständig unregulierte zu beschreibenden Vermögenswerte, welche bis heute nicht der offiziellen Definition des Begriffs Währung genügen, durchliefen diverse Hoch- und Tiefphasen. Doch Deutschland als Mitglied der europäischen Währungsunion würde dem eigenen Stereotyp nicht gerecht werden, hätte es nicht bereits vor der offiziellen Veröffentlichung der MiCa-Regulierung (Markets in Crypto-Assets) auf europäischer Ebene einen eigenen Versuch zur Regulierung dieser Währungen gewagt. So wurde bereits mit der fünften Geldwäscherichtlinie eine neue Klasse für das Kryptowertgeschäft definiert, welches sich auch im Gesetz für elektronische Wertpapiere (eWpG) niederschlägt. Anhand dieser Entwicklung wird deutlich, dass Kryptoanlagewerte unterschiedlichster Coleur ihren Weg in den „Mainstream“ gefunden haben. Die Reproduktion bereits etablierter Finanzprodukte, wie das klassische Kreditgeschäft oder unterschiedliche (Exchange Traded) Funds, stehen sinnbildlich für diese Entwicklung sowie den Einfallsreichtum der institutionellen Anbieter vorstehend bezeichneter Produkte. Die Konsequenz dieses Eintritts in den Mainstream und dem damit einhergehendem „Dumb Money“ kann als eine mögliche Begründung für die starken Kursschwankungen identifiziert werden. Auch können steigende Zinsen auf Anleihen, staatliche Restriktionen, pandemische und aktuell besonders geopolitische Impulse Investoren zu klassischen Investmentoptionen bewegen und die dezentralen Assets in einen „Krypto-Winter“ treiben.

Trotz der sinkenden Kurse diverser Kryptowährungen kann das angestiegene Interesse an einer anderen Initiative aus dem Bereich Blockchain beobachtet werden. Diese Beobachtung trägt den Namen Non-Fungible Token (NFT) und verspricht nicht weniger als die Digitalisierung von Wertgegenständen sowie deren Demokratisierung auf der Blockchain. Im Gegensatz zu dieser Mission erfährt die breite Öffentlichkeit häufig von Betrugsvorfällen (sog. Scams) oder abstrusen Preisen für das Echtheitszertifikat eines Affen-Motivs. In diesem Blogartikel wollen wir aus diesem Grund über die vermeindlichen Primärfunktionen einer Kryptowährung, der Wertanlage oder dem Payment, hinwegsehen, um einen Blick auf den Trend des NFT zu werfen.

 

Bevor wir uns jedoch mit dem „Lazy Ape-Club“ oder dem „Minting“ eines sogenannten Non-Fungible Token (NFT) beschäftigen, möchten wir Aufklärung darüber geben, was man unter einem NFT überhaupt versteht.

 

Was ist ein NFT?

Non-Fungible Token oder auch NFT abgekürzt beschreibt einen digitalen Echtheits- und Eigentumsnachweis. Hinter jedem der auf den ersten Blick abstrus aussehenden Kunstwerke verbirgt sich eine einzigartige und nicht austauschbare Dateneinheit, welche auf einem digitalen (dezentralen) Hauptbuch gespeichert ist. Der Eigentumsnachweis wird durch die Speicherung der Dateneinheit auf der Blockchain ermöglicht. Konkret wird der Echtheitsnachweis auf der Blockchain (meist auf Ethereum) an den digitalisierten Wert angehängt. Auf diesem Weg erhalten Objekte unverwechselbare Signaturen, welche aus ihnen Unikate werden lassen. Im Wesentlichen wird eine vergleichbare Technologie wie bei Kryptowährungen genutzt. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass Kryptowährungen „Like-for-like“ austauschbar sind, was wiederum auf NFT nicht zutrifft. Auch wenn ein NFT kopiert wird, ist die Echtheit des Originals immer nachweisbar. Im Gegensatz zu einer Bitcoin-Einheit ist jeder NFT einzigartig, sodass dieser nicht gegeneinander ausgetauscht werden kann. In der Datei sind zusätzliche Informationen gespeichert, die über eine reine Währung hinausgehen und sie in den Bereich von, nun ja, eigentlich allem bringen. Infolgedessen sind NFTs zu sammelbaren digitalen Vermögenswerten geworden, die einen Wert innehaben – so wie physische Kunst einen Wert hat.

 

Eine Besonderheit in diesem Kontext ist, dass ein Issuer des NFT mehrere NFT selbigen Inhalts (eine Auflage wie bei einem Comic-Buch) erstellen oder aber einen Wert in unzählige Teile aufbrechen und veräußern kann. Ersteres wurde zuletzt vom „Bored Ape Yacht Club“ umgesetzt, welcher 10.000 NFT mit unterschiedlichen „Bored Ape„-Motiven erstellte und veräußerte. Letzteres wurde bei dem Verkauf von “The Merge” demonstriert. Bei diesem NFT-Projekt haben 29.983 Sammler in Summe 312.686 Teile eines Kunstwerks erstanden, welches zu einem Gesamterlös von 91,8 Millionen US-Dollar verkauft wurde und somit Jeff Koons „Rabbit“ aus dem Jahr 2019 (91,1 Millionen US-Dollar) vom ersten Platz bzgl. des höchsten Erlöses verdrängt hat.

 

Was bedeutet Minting ?

Unter diesem Begriff wird verstanden, dass eine digitale Ausgangsdatei in einen Blockchain-basierten Token umgewandelt wird, welcher das Eigentum an einem Objekt, wie einem Bild, Video oder einem physischen Gegenstand, nachweist.

In diesem Prozess werden digitale Objekte in einer dezentralen Datenbank gespeichert. Sobald Sie auf der vorstehenden Datenbank sind, können sie weder bearbeitet noch geändert oder gelöscht werden. Der Begriff Minting leitet sich von der Prägung einer Münze ab, da auch die digitale Datei eine individuelle und unveränderbare Prägung erhält. Dieser Vorgang ähnelt der Schaffung von Fiat-Währungen, wenn ein Hersteller eine physische Münze prägt.

 

Ein Beispiel aus der Praxis

Da das Konzept des NFT beziehungsweise der Erstellung eines solchen Vermögenswertes auf den ersten Blick sehr theoretisch klingen mag, möchten wir ein Beispiel aus der Praxis nutzen, um das dahinterstehende Konzept näher zu erläutern. „Online:Digital X GmbH & Co. KG“ ist als Frankfurter Digitalagentur mit unterschiedlichsten Kunden im Kontakt, um die digitale Sichtbarkeit und das Online-Marketing des Kunden zu verbessern. Ähnlich erging es dem Eishockey-Team der „Löwen Frankfurt“. Diese versuchten ihr digitales Profil zu stärken und eine Marketing-Kampagne für den Verein und dessen Spieler aufzusetzen. Um dies zu ermöglichen, wollten sie Spieler sowie besondere Bilder und Momentaufnahmen auf die Blockchain bringen. Das Material hierfür wurde aus den Archiven des Vereins gesucht und zeigt 30 Jahre Geschichte über den Verein. Nachdem eine ausreichende Menge an Informationen generiert werden konnte, wurden diese Inhalte digitalisiert und auf der Blockchain gespeichert. Nach Erstellung der digitalen Spielerkarten wurden diese an Fans verschenkt, welche einen entsprechenden Kommentar auf den sozialen Netzwerken hinterließen. Auch wenn diese Form des Marketings vorerst Neuland war (die „Löwen Frankfurt“ waren der erste Eishockeyverein Deutschlands mit einer solchen Kampagne) und die Fans zunächst abgeholt werden mussten, war die Aktion schlussendlich ein voller Erfolg, da es neben der Stärkung des digitalen Marketingprofils des Eishockeyvereins auch echten Wert in Form eines NFT schuf. Derzeit belaufen sich die ersten NFT dieses Projektes auf ca. einen Coin der Währung Ethereum. Besonders durch den Aufstieg der „Löwen Frankfurt“ von der zweiten in die erste deutsche Eishockey Bundesliga versprechen sich sowohl der Verein als auch dessen Spieler die Möglichkeit weitere Marketingaktionen zu schalten, und mit dem „Löwen-NFT“ Fans des Vereins möglichst langfristig an sich zu binden.

 

Woher kommt die Begeisterung für NFT?

Trotz der Tatsache, dass die digitalen Werte wie Kryptowährungen oder NFT einen enormen Erfolgskurs aufweisen, ist auf den ersten Blick kein fundamentalanalytischer Wert, abgesehen des Echtheitsnachweises eines jeden NFT, erkennbar. Es stellt sich automatisch die Frage, welche Kriterien den Trend befeuern. Zum einen kann es sich hierbei um die Hoffnung auf einen Vermögenswert handeln, welcher erst nach flächendeckender Nutzung des „Web 3.0“ sowie der damit zusammenhängenden, durch Nutzerentscheidungen kontrollierte Umgebung materialisiert. Ambitionen wie die durch „META“ geschaffenen virtuellen Welten, können einer solchen Bewegung weitere Schubkraft verleihen. Sicherlich kann auch der unregulierte Charakter der NFT-Industrie Frühphasen-Investoren und eben jene mit der „Fear of missing out(FoMo) an den Start bringen, bevor das „Dumb Money“ in den Markt kommt, um zum schlussendlichen Abnehmer dieser Trendwahrnehmer zu werden.

Sicherlich ist eine Erklärung, wenn auch eine romantisierte, dass Künstler den Intermediär, wie es bereits bei Kryptowährungen der Fall ist, herausnehmen wollen, um eine faire Entlohnung zu erhalten. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass analog dem Exchange Traded Funds eine Möglichkeit geschaffen werden soll, weniger finanzstarken (Privat-) Investoren den Zugang zu einem aufkommenden Trend zu ermöglichen, welcher ihnen sonst verschlossenen bleiben würde. Dies würde in hohem Maße das Konzept von Demokratisierung von „dezentralised finance“ beinhalten. Trotz der Tatsache, dass diverse positive Strömungen aus NFT hervorzugehen scheint, müssen diese stets auch kritisch betrachtet werden.

 

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Neben den zweifelsohne positiv einzuordnenden Effekten einer solchen Innovation, dürfen negative Aspekte nicht unbeachtet bleiben. Sowohl die Technologie, als auch die dahinterstehenden Finanzprodukte in einem nicht vollends regulierten Markt, stellen dabei die Kehrseite dar. Dies kann unterschiedliche Gefahren und Risiken bergen. Auf der einen Seite besteht die Möglichkeit, dass Nutzer mit wenig Erfahrung im Kryptowährungsbereich Opfer eines „Scams“ werden. Insbesondere diese noch sehr junge Thematik und die damit einhergehende fehlende Erfahrung erhöht das damit verbundene Risiko. Durch das Versprechen auf hohe Renditen mit niedrigem Einsatz können insbesondere unerfahrene Privat-Anleger einem Betrug leicht auf den Leim gehen. Ergänzend hierzu besteht das Problem des Verfalls: Auch wenn ein NFT im Vergleich zu einem klassischen Kunstwerk im Museum nicht mit selbiger Halbwertszeit zu verfallen droht, besteht auch hier immer die Möglichkeit, dass das Hauptbuch beziehungsweise der entsprechende Speicherort (Server) offline genommen wird oder das Passwort für ein “Wallet“ verloren geht. Prozesse zur Rückgewinnung des Wertgegenstandes sind hier nur spärlich etabliert.  Abschließend besteht auch hier die Möglichkeit, dass sich die durch Goldgräbersstimmung verbreitete Hoffnung in den zukünftigen Wert eines heute erstandenen NFT nicht materialisiert.

 

Wie ist die Bewegung abschließend zu bewerten?

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die NFT-Technolgie sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Sieht man die Anwendung darin, Künstler für deren Arbeit angemessen zu entlohnen oder die Echtheit eines Kunstwerkes sicherzustellen, können NFT als positiver Trend angesehen werden. Hierdurch würden Fälschungsskandale, wie der des Wolfgang Beltracchi sowie der damit verbundene, immaterielle Schaden unterschiedlicher Auktionshäuser der Vergangenheit angehören. Schlüssig erscheint auch, dass die heute erstandenen Kunstwerke, den State of the Art der nächsten Generation, ungeachtet ob diese „Metaverse“ heißt oder nicht, darstellen. Doch muss im selbigen Moment auch kritisch bewertet werden, dass neben den großartigen Anwendungsgebieten auch negative Ausprägungen sichtbar werden. Beispielsweise können die Erschaffung und der Vertrieb von NFT-Projekten mit fragwürdigem Wert und Sinnhaftigkeit genannt werden. Diese werden von mehr oder weniger seriösen Anbietern einem wenig erfahrenen Publikum angepriesen, mit der Hoffnung auf deren „Fear of missing out“ zu kapitalisieren. Besonders die mit dem Phänomen der künstlichen Verknappung zu erklärenden Kurssteigerungen oder auch „bull runs“, erinnern an die Dynamiken des Bitcoins nach einem Halving des Proof of Work-Ertrages. Alle interessierten Leser dürfen sich entsprechend auf dieses Phänomen im Jahr 2024 freuen (Halving von 6,25 BTC auf 3,125 BTC). Wenngleich eine andere Begründung hinter dem Fall der Wirecard steht, besteht zumindest die Gefahr, dass auch bei diesem Trend Kleinanleger auf „rot setzen“ und ohne Rückversicherung alles verlieren. Abschließend ist meiner Meinung nach zu bewerten, ob der von Vitalik Buterin (Mitgründer Ethereum) herbeigesehnte Krypto-Winter sowie die damit einhergehende Aussiebung der betrügerisch motivierten Krypto-Enthusiasten auch im NFT-Space ankommt. Sollten risikosuchende Investoren und den Trend nutzende Anbieter verschwinden, kann die anfangs erwähnte Zielsetzung des NFT, die Digitalisierung und Demokratisierung von Werten auf der Blockchain, inkl. dessen Echtheitsgarantie, eine langfristig sinnvolle Anwendung finden. Historisch beobachtet benötigen Kryptowährungen ca. 5 Jahre im Mainstream bevor diese an Seriosität gewannen und im Ergebnis sowohl institutionelle als auch nicht-institutionelle Anleger angesprochen haben.

 

Mit Spannung abzuwarten bleibt daher, ob die bislang gewonnene Seriosität bzgl. Blockchaintechnologie auch den NFT-Markt erreicht oder lediglich einen kurzlebigen Trend darstellt.