Bankenvielfalt im Spannungsverhältnis von Innovation und Wirtschaftlichkeit

Kontinuierlicher Rückgang der Anzahl deutscher Banken und Sparkassen.

Per Ende 2017 gab es lt. Deutscher Bundesbank in Deutschland 1.823 Kreditinstitute (Banken und Sparkassen); gegenüber dem Jahr 2007 ist dies ein Rückgang von knapp 20 Prozent.

Allein seit 2015 hat sich die Anzahl der Sparkassen nach Angaben des Sparkassenverbandes um 28 Institute auf 385 (Stand Mai 2018) reduziert. In der genossenschaftlichen Finanzgruppe hat sich die Anzahl der Institute im gleichen Zeitraum sogar um 106 Banken reduziert, auf jetzt 915. Der Bundesverband BVR rechnet mit weiteren Fusionen, jedoch in diesem Jahr auf niedrigerem Niveau als z.B. in 2017 mit einem Rückgang der Institutsanzahl um insgesamt 57

So steigt z.B. seit einigen Jahren die Zahl der Fusionen im Bereich der Sparkassen deutlich an. Die Treiber sind natürlich die Digitalisierung, aber auch die zunehmende Regulatorik im Finanzumfeld sowie die demografische Entwicklung. Bemerkenswert ist, dass die Gesamtzahl der Sparkassen von 594 Instituten im Jahr 1998 auf 390 zum 31. Dezember 2017 zurückgegangen ist – ohne dass ein Institut geschlossen wurde.

Die Zahlen der Vergangenheit sprechen demnach eine deutliche Sprache; verstärkt wird dies zudem durch die laufende Reduktion der Filialen in Deutschland. Nun ist dies zum einen ebenfalls eine Reaktion auf den digitalen Wandel und das sich hieraus ergebende immer weniger ausgeprägte Erfordernis der Filiale als Informations- und Vertriebskanal. Die digitalen Angebote der Banken und Sparkassen (oder alternative Marktplätze wie Interhyp, Finanzcheck oder Zinspilot) werden immer stärker zum primären „Banking-Kanal“. Zum anderen sei Deutschland, wie man seit Jahren immer wieder liest, overbanked. Meines Erachtens gilt dies v.a. institutsübergreifend insbesondere für die Anzahl der Filialen (ok, immer weniger in ländlichen Regionen…). Nach wie vor ist es nicht ungewöhnlich, dass in einer Straße einer deutschen Großstadt drei Filialen eines Instituts anzufinden sind.

Wie geht es weiter?
Wie wird sich der Trend in der Zukunft gestalten? Wird es zu einer Weiterentwicklung kommen oder wird sich das „Bankensterben“ fortsetzen? Hierzu am Rande: keine Sparkasse oder Genossenschaftsbank ist bisher gestorben; es kam nur zu Fusionen innerhalb der jeweiligen Bankengruppe. Und an den letzten Tod einer relevanten Privatbank können sich nur die wenigsten erinnern – seit 2001 musste die Einlagensicherung für 10 insolvente Banken aufkommen, die letzte war im Februar 2018 die Dero Bank.

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman malt die Zukunft deutscher Kreditinstitute in ganz schwarzen Farben; so geht man dort davon aus, dass aufgrund der zunehmenden Bedeutung von FinTechs und den großen IT-Konzernen wie Google, Apple, Amazon und Facebook die Anzahl der deutschen Banken im Jahr 2030 auf bis zu 150 sinken könnte.

Es gab zu der Prognose der Kollegen intensive Diskussionen (nicht nur) in den sozialen Medien und man kann von dem reißerischen Aufmacher halten was man möchte, aber alle sind uneingeschränkt der Auffassung, dass die Anzahl der Banken weiter zurückgehen wird. Uneins sind sich die Experten jedoch ob der Konsequenzen einer immer weiter zurückgehenden Diversifikation der deutschen Bankenlandschaft. Und zudem sollte die Frage erlaubt sein, ob eine Fusion zweier (oder ggf. mehrerer) Institute die grundlegenden Probleme löst, die diese Institute überhaupt erst in Fusionsüberlegungen getrieben haben.

Aktuell wird heiß diskutiert und in Teilen von Politik, Wirtschaft und Medien gar gefordert, dass es zu einer Fusion zwischen Commerzbank und Deutscher Bank kommen solle. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich demnach mehr denn je. Dieser Frage wird im Folgenden mit Hilfe einiger (ja, auch provokanter …) Thesen nachgegangen.

Löst eine Fusion (oder eine Übernahme) grundlegende Probleme deutscher Banken bzw. welche Probleme löst eine Fusion aus?

These I: Fusionen rechnen sich nicht
Es gibt Beispiele, in denen sich Übernahmen einer Bank durch eine andere lohnen (oder in denen geplant ist, dass es sich rechnet …). Als aktuelles Beispiel sei hier die Übernahme der in Abwicklung befindlichen Düsselhyp durch die Aareal Bank genannt. Aber dieses Beispiel ist nicht wirklich geeignet, da Aareal kein strategisches Interesse an Düsselhyp hat, sondern nur positive Einmaleffekte im Rahmen der Abwicklung nutzen möchte.

In der Realität sieht es bei echten Fusionen bzw. Übernahmen jedoch anders aus. Man halte sich nur die noch andauernden Versuche der Schaffung einer einheitlichen IT Plattform bei der Deutschen Bank vor Augen; die Postbank läuft immer noch in weiten Teilen für sich, das Projekt Magellan, das die Basis für eine einheitliche Plattform schaffen sollte, wurde von der Bank gestoppt.

Die Schaffung einheitlicher IT Systeme ist immer mit dem Wechsel von IT Systemen und der Erfordernis von Prozessanpassungen und Datenmigrationen verbunden. Der Grund des Wechsels des Kernbankensystems der apoBank (von Fiducia GAD zu avaloq) liegt hier zwar nicht in einer Fusion, die geschätzten Kosten („niedriger dreistelliger Millionenbereich“) können aber als Benchmark für die IT-Konsolidierung eines zu fusionierenden Institutes dienen. Weitere Beispiele muss man nicht lang suchen und finden sich in allen Sektoren der deutschen Bankenlandschaft.

Wenn man nun über eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank nachdenkt, dann kann sich eine Fusion nur mit einer einheitlichen IT Plattform rechnen. Und hier weisen beide Häuser einzeln betrachtet bereits keine einheitliche Infrastruktur auf. Vielmehr würden sich in einem fusionierten Institut dann Komponenten der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Postbank, der ehem. Dresdner Bank und weiterer Tochterinstitute beider Häuser wiederfinden. … Man könnte diese Liste erweitern, u.a. um den Sachverhalt, dass die Commerzbank das Wertpapiergeschäft demnächst bei HSBC abwickeln lässt und den Zahlungsverkehr bei equens, die Deutsche Bank hier aber einen anderen Weg geht.

Es fällt schwer sich ein Szenario auszumalen, in dem sich eine solche Mammutaufgabe jemals rechnen könnte. Zumal der herbeigesehnte (zumindest) europäische Champion viele Jahre erst einmal nahezu ausschließlich mit sich selbst beschäftigt wäre. Ein passender Übergang zur …

These II: Fusionen sind Innovationskiller
Innovationen haben während eines Fusionsprojektes einen schweren Stand, da die Sicherstellung der gesteckten Ziele (Vereinheitlichung und Verschlankung) neben der Sicherstellung des Tagesgeschäftes die höchste Priorität genießen. Innovationen (in den Augen immer noch sehr vieler Banker nur Wetten auf künftige Erträge) kommen da zu kurz, und werden in solchen Phasen immer wieder “on hold” gestellt, was häufig nichts anderes als deren Einstellung bedeutet.

Und auch nach Vollzug einer Fusion wird es nicht zwingend besser. Es gibt Stimmen (u.a. die bekannter „Influencer“), die eine umfassende Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft herbeisehnen, in der die dann nur noch wenigen Banken ganz viel Zeit, Geld und Muße hätten, sich endlich der Schaffung innovativer Lösungen für ihre Kunden hinzugeben.

Ich halte dies für einen Irrglauben; Wettbewerb ist ein Innovationstreiber. Sind Marktanteile erst unter wenigen Anbietern verteilt, werden Banken in ihren Angeboten immer vergleichbarer. Zudem besteht aus Gründen der Bequemlichkeit immer weniger die Erfordernis, mit innovativen Ideen neue Kunden für sich zu gewinnen. Beleg hierfür ist, dass innovative Ideen in den letzten Jahren aus dem vielfältigen FinTech Umfeld kamen und weniger (oder überhaupt nicht?) aus etablierten Banken.

Die immer wieder genannten Vergleiche mit Ländern, in denen eine eingeschränktere Bankenvielfalt besteht, hinken. Eine BBVA oder eine ING sind nicht deswegen innovativ, weil es in ihren Märkten weniger Banken gibt, sondern weil die Strukturen und die reduzierte Bedeutung der (Verbands)-„Politik“ es ermöglichen (und die unternehmerische DNA es ihnen vorgibt).

These III: Fusionen entziehen Lokalbanken ihre regionale Verwurzelung
Regional geprägte Institute, und dies sind inbesondere (aber nicht nur) Genossen-schaftsbanken und Sparkassen, definieren sich vor allem über ihre Verbindung mit (den Menschen und Institutionen) ihrer Region. Dies zeigt sich in dem gesellschaftlichen Engagement (z.B. der Unterstützung sportlicher und kultureller Einrichtungen oder der Versorgung auch strukturschwacher Regionen) dieser Häuser und in der generationsübergreifenden Treue der Kunden zu ihren Banken.

Aber was macht die seit einigen Jahren in der Region zunehmende Fusionswelle von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken mit den Menschen? Auf einmal haben die Menschen in Flensburg und Nordfriesland eine gemeinsame Sparkasse und die Kunden der Volksbanken in Frankfurt, Griesheim und Maingau ein neues großes gemeinsames Institut. Bleibt nach solchen Zusammenschlüssen noch Platz für eine regionale Verwurzelung? Dies läuft nicht immer geräuschlos ab; so gibt es zum Beispiel eine Petition zur Rückabwicklung der Fusion der Sparkassen Schweinfurt und Ostunterfranken. Die Integrität vieler Häuser ist durch die Verwässerung des Regionalprinzipes nicht mehr gewährleistet.

Diese Thesen sollen nicht dazu dienen, Fusionen unter Banken als sinnfrei darzustellen, da es sehr gute Gründe für diese geben kann. Fusionen können der Bankenrettung und damit der volkswirtschaftlichen Stabilität dienen. Fusionen können auch strategisch Sinn machen. Es gibt jedoch keine Automatismen, dass sich Fusionen oder Übernahmen immer lohnen; aus zwei Schwachen wird kein Starker. Die Schwächen der einzelnen Partner (z.B. IT-Legacy, fehlende Innovationskraft, kein zukunftsfestes Geschäftsmodell) werden dann nur fusioniert und ggf. noch vergrößert.

Ein Plädoyer
Dieser Beitrag soll ein Plädoyer für die Aufrechterhaltung der Vielfalt am deutschen Bankenmarkt sein. Auch weiterhin wäre es wünschenswert, große und kleine sowie regionale und internationale Banken zu haben. Traditionelle Institute und Challengerbanken, Multikanal und mobile only, Investmentbanking und nachhaltiges Banking …alles sollte auch in Zukunft typisch für unsere Banken sein!