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„Fiskalisierung: Neue Kassen für Händler in Deutschland?“

Zum 01.01.2020 tritt in Deutschland die Fiskalisierung in Kraft.

Diese Maßnahme verfolgt das primäre Ziel, die Generierung von Schwarzgeld durch Dokumentation eines jeden entstandenen Geschäftsvorfalls einzudämmen. In einem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 06.11.2019 wurde dem entgegenstehend bekanntgegeben, Händlern eine weitere Schonfrist bis zum 30.09.2020 einzuräumen. Diese beschreibt, dass Händler ohne eine technische Sicherheitseinrichtung bis zum Ablauf der Frist keine Strafen zu befürchten haben. Trotz dieser Übergangsfrist wirft die Fiskalisierung bei Händlern mehr Fragen als Antworten auf. Insbesondere wie die besagte Umstellung stattfinden soll, welche Regeln gelten und was bei Nichteinhaltung geschieht, ist nicht vollends geklärt. Aus diesem Grund thematisiert folgender Blogbeitrag zunächst die hartnäckigsten Mythen und beschäftigt sich im Nachgang tiefgehend mit dem Thema Fiskalisierung.

Die Registrierkassenpflicht kommt nach Deutschland!

Die Fiskalisierung und die damit einhergehende Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) ist nicht gleichzusetzen mit einer Registrierkassenpflicht. Diese gibt es in Deutschland nicht und ist derzeit nicht geplant, da die Umsetzung aus Sicht des Gesetzgebers aus Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten unverhältnismäßig und mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden ist. Dies gilt insbesondere bei Wochenmärkten, Gemeinde-/ Vereinsfesten oder Hofläden und Straßenverkäufern sowie für Personen, die ihre Dienstleistungen nicht an festen Orten anbieten. Ausnahmen wären zudem nicht rechtssicher abgrenzbar. Somit können die Spektren von einer offenen Ladenkasse über die mechanische Registrierkasse bis hin zur EDV-Registrierkasse gehen.

Ich muss mir eine neue Kasse kaufen!

Realität: Ist die Kasse nach dem 25.11.2010 (§ 30 Abs. 3 zu Art. 97 EGAO) gekauft worden, GoBD konform und bauartbedingt nicht aufrüstbar, gilt eine Übergangszeit bis 01.01.2023. Sollte die Kasse aufrüstbar sein, hat eine entsprechende Aufrüstung durch den Kassensystemhersteller zu erfolgen.

Geprüftes Kassensystem: Registrierkassen müssen ab dem 01.01.2020 zertifiziert sein!

Nein, lediglich die technische Sicherheitseinrichtung / Software muss zertifiziert werden. Diese Einrichtung besteht aus einem Sicherheitsmodul, welches die Kasseneingaben mit Beginn eines Aufzeichnungsvorgangs zur Verhinderung von nachträglicher Manipulation protokolliert, einem Speichermedium, welches die Einzelaufzeichnungen für die Dauer der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht speichert sowie einer einheitlichen, digitalen Schnittstelle, zur Gewährleistung der reibungslosen Datenübertragung für Prüfungszwecke. Wie bereits eingangs erwähnt, wird vorerst trotz des Inkrafttretens der KassenSichV keine Ahndung bei Verstoß der Umsetzung stattfinden.

Die KassenSichV tritt am 01.01.2020 in Kraft?

Ja, offiziell wird die KassenSichV am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Aus dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 06.11.2019 geht jedoch hervor, dass Aufzeichnungssysteme im Sinne des §146 AO die keine technische Sicherheitseinrichtung besitzen, bis zum 30.09.2020 nicht beanstandet werden. Dies bedeutet ebenfalls, dass die im August 2019 veröffentlichte digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme (DSFinV-K) keine Anwendung findet.

Was genau ist eine Fiskalisierung? Bin ich GDPdU und GoBD konform und was hat der Paragraph §146 AO (Abgabenordnung) damit zu tun? Muss ich mir eine neue Kasse/ Tablet kaufen oder ab Januar gar mein hippes Kassensystem im schlanken Design gegen einen der Klötze von anno dazumal eintauschen?

Computer und die damit zusammenhängenden Möglichkeiten gehören heutzutage zum Alltag. Dies gilt auch für die elektronische Verarbeitung von Daten. So wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts Systeme zur Buchführung im Handel von ihrer ursprünglichen, papierhaften Variante auf elektronische Systeme zur Buchführung umgestellt. Unglücklicherweise wurden diese elektronischen Buchführungssysteme häufig missbraucht, um eine nachweisfreie Manipulation von Umsatzdaten und die damit zusammenhängende Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben zu ermöglichen. Um diese Hinterziehung einzugrenzen, fanden in den 1980er Jahren erste Datenträger zur Speicherung von Umsatzdaten Verwendung. Der daraus resultierende Vorgang, der die Speicherung von Umsatzdaten und damit die Staatskasse zum Ziel hatte, wurde als Fiskalisierung bekannt.

Knapp 40 Jahre nachdem die ersten Fiskalspeicher eingesetzt wurden, soll nun eine flächendeckende Verordnung, die sog. KassenSichV für die elektronische Registrierkassenlandschaft erarbeitet und durchgesetzt werden. Die Fiskalisierung von elektronischen Registrierkassen mit ihren Anforderungen dient ausschließlich der Bekämpfung von Händlern, welche Gelder steuerfrei verarbeiten und somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen erhalten, die ihre Umsätze ordnungsgemäß angeben. Diese Thematik hat besondere Relevanz, da aktuelle Kassensysteme Hintertüren besitzen, welche von Anwendern ausgenutzt werden können. Multiway, ein Kassensystemhersteller für Asia-Restaurants, der es anscheinend ermöglichte, gebuchte Artikel zu stornieren, um Steuern zu hinterziehen, sorgte mit dieser Funktion Anfang 2019 für Aufsehen. Der Wille zur Hinterziehung geht in einigen Fällen soweit, dass Kunden lediglich eine neue Registrierkasse erwerben, wenn diese die nachweisfreie Löschung von Umsätzen zulässt. Somit hat eine staatliche Regulierung – welche bei konsequenter Einhaltung der Regularien durch die Kassensystemhersteller nicht notwendig gewesen wäre – neben der Reduzierung von möglichen Schwarzgeldern – auch eine Aufhebung des finanziellen Vorteils von hinterziehenden Händlern zur Folge.

Um einen besseren Einblick in die bevorstehende Fiskalisierung der deutschen Registrierkassenlandschaft und ihre Anforderungen zu erhalten, müssen einige Begrifflichkeiten wie GoBD, Kassensicherungsverordnung oder §146 AO geklärt werden.

GDPdU und GoBD?

Die GDPdU oder „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“, die zum 01.01.2002 in Kraft getreten ist, hat als Verwaltungsvorschrift erstmalig den Steuerpflichtigen durch eine enthaltene Mitwirkungspflicht zur Verantwortung gezogen. Hierdurch mussten Unternehmer alle steuerrechtlichen Daten für 10 Jahre archivieren und den Steuerbehörden während einer Prüfung bei Bedarf zur Verfügung stellen. Am 01.01.2015 wurde die GDPdU von der GoBD abgelöst. Die GoBD oder „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff”, beinhaltet als Verwaltungsvorschrift, dass eine Unveränderbarkeit der Daten gegeben sein muss. Darüber hinaus gehört die Einzelaufzeichnungspflicht sowie die Möglichkeit des Datenexportes in einem vordefinierten Format zu den allgemeinen Grundsätzen der GoBD. Die einfache Speicherung der kumulierten Schichtumsätze in Form der sog. Z-Berichte, also den Tagesabschlussberichten an den Kassen, ist nicht ausreichend. Die Einhaltung der Richtlinie zum Schutz vor Manipulation muss hierbei durch die Kassenhersteller garantiert werden. Die tatsächliche Kontrolle liegt jedoch bei den zuständigen Finanzämtern. In diesem Kontext relevant, weder die GDPdU noch die GoBD haben die durchsetzbare Wirkung einer Verordnung, da lediglich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) in der Abgabenordnung geregelt sind. Bedingt durch die Tatsache, dass seitens des Finanzministeriums keine eindeutige Aussage getroffen wurde, welche Kriterien eine elektronische Registrierkasse einhalten muss, um konform zu sein, bietet somit die GoBD nicht zwangsweise eine Rechtssicherheit.

Neue Standards durch Kassensicherungsverordnung (KassenSichV)?

Im Gegensatz zu GDPdU und GoBD ist die KassenSichV eine Verordnung des Finanzministeriums, die neue Standards zur Verhinderung von Manipulationen an Registrierkassen verbindlich vorschreibt. Die KassenSichV vom 26.9.2017 basiert auf dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 16.12.2016. Ab dem 01.01.2020 müssen in Deutschland Registrierkassen, deren Bauart es technisch zulässt, mit einer sogenannten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Die Sicherheitseinrichtung speichert die Transaktionen der Kasse auf ihrem internen Speicher und liefert einen Code zurück an die Kasse. Dieser Code ist auf jeden Verkaufsbeleg zu drucken. Die Daten müssen in einem für das Finanzamt exportierbaren Protokoll gespeichert werden. Kassen, die zwischen nach dem 25.10.2010 und vor dem 31.12.2019 gekauft werden und nicht aufrüstbar sind, können bis zum 31.12.2022 erneuert werden.

Obschon nun die Begrifflichkeiten geklärt sind, bleibt die Frage der gesetzlichen Durchsetzung sowie der Konsequenzen für Händler bei Nichteinhaltung. Die Regelungen zur Nachschau der Transaktionsdaten sagen aus, dass ein Kassenprüfer unangekündigt während der üblichen Geschäftszeiten das Geschäft betreten und die Benutzung der Kasse (keine Ausweispflicht; Stichwort Testkauf) beobachten darf. Darüber hinaus dürfen die Prüfer bei der Geschäftsleitung (oder einem befähigten Vertreter) einen Kassensturz (Ausweispflicht) verlangen. Dies gilt neben Geschäftsräumen auch für Verkaufswagen, z.B. Food Trucks. Sollten die geprüften Aufzeichnungen nicht ausreichen, kann auf Anordnung eine Außenprüfung folgen. Wer nach dieser Masse an Informationen als Fazit zieht „Alles gut und schön, aber was passiert, wenn ich so weiter mache wie gehabt und im schlimmsten Falle ein Bußgeld zahle“, der sei an dieser Stelle gewarnt. Bei Einsatz nicht konformer Kassensysteme (inklusive Sicherungseinrichtung) kann der Händler mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro bestraft werden.

Das Ziel der KassenSichV ist die nachträgliche Manipulation von Umsatzdaten festzustellen und zu verhindern. Hierbei erfolgt die Prüfung über den Journalexport sowie Auswertungs-, Programmier- und Stammdatenänderungsdaten, welche durch eine Software der Finanzämter geprüft wird. Die dafür notwendige, technische Sicherheitseinrichtung besteht aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle, welche das Auslesen des Exports ermöglicht. Zukünftig werden Belege von konformen Systemen eine fortlaufende Signatur inklusive eindeutiger Informationen des vorherigen Belegs aufweisen. Diese Signatur wird verschlüsselt in einem Sicherheitsmodul gespeichert und kann somit nicht verändert werden. Reißt die Kette der Signaturen ab kann schnell herausgefunden werden, an welcher Stelle eine Manipulation stattgefunden hat. Besagtes Modul muss konsequent erreichbar sein, da nicht nur während der Signaturerstellung, sondern auch bei Eingabe der Artikel Kommunikation zwischen der Kasse und dem Sicherheitsmodul stattfindet. Bedingt durch diese ständige Erreichbarkeit ist eine deutliche Implikation, dass Cloud-basierte Kassen ab dem 01.01.2020 nicht mehr offline fähig sein dürfen, sofern hierdurch die Kommunikation zum Modul abbricht. Aus diesem Grund sollte der Kontakt zum Kassensystemhersteller gesucht werden, da dieser die Lösung bzw. Software für sein System zur Verfügung stellen muss.

Fazit: Ist die Umsetzung via neuer Kassensysteme wirklich die Lösung?

Mit der kurzen Zusammenfassung der nicht ganz neuen Idee der deutschen Fiskalisierung und die Beantwortung der wichtigsten Fragen, bleibt die Frage nach dem Fazit. Es ist unbestritten, dass Deutschland ein Bargeld-affines Land ist. Ebenso wenig umstritten ist, dass nicht jeder Euro ordnungsgemäß beim Fiskus dokumentiert wird. Offen bleibt jedoch die Frage, ob die Umsetzung via neuer Kassensysteme wirklich die Lösung für das Problem der Steuerhinterziehung ist, oder nicht gar andere schafft. Welche Implikationen hat die Papierhafte Belegausgabe in einer immer stärker ökologisch denkenden Gesellschaft? Ist es zeitgemäß einen geschlossenen Standard in einer Open Source arbeitenden Gesellschaft zu etablieren? Wird das in Form von Bargeld hinterzogene Steuergeld durch die definierten Ausnahmen wirklich reduziert?

Die Beantwortung dieser Fragen steht aktuell noch aus. Sicher ist lediglich, dass das ab Januar 2020 inkrafttretende Gesetz wirkungslos bleiben wird, sollten Standards nicht unmissverständlich definiert und durch angemessenen Aufbau an prüfendem Personal kontrolliert werden.