Icon

Wero goes E-Commerce: Die europäische Bezahllösung zwischen Ambitionen und Herausforderungen

Die European Payments Initiative (EPI) steht mit Wero vor dem Eintritt ins Händlergeschäft: Im Herbst 2025 möchte EPI in Deutschland mit ersten Pilothändlern im E-Commerce ins Akzeptanzgeschäft einsteigen. Doch ist dieser ambitionierte Zeitplan realistisch? Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wo steht Wero aktuell, welche Hürden müssen noch überwunden werden und wie steht es um die Erfolgsaussichten des neuen europäischen Zahlungsinstrumentes?

Vom P2P zum E-Commerce

Bisher können private Nutzer mit der Wero-App oder der von der Hausbank erweiterten Online-Banking-App im Rahmen von Account-to-Account-Transaktionen Zahlungen auslösen und Geldbeträge in Echtzeit an andere Wero-Wallet-Inhaber übermitteln. Technisch basiert dieses System auf SEPA Instant Überweisungen.

Die erste Echtzeitüberweisung mit Wero ist mittlerweile fast zwei Jahre her: Am 20. Dezember 2023 wanderten 10 Euro von der Sparkasse Elbe-Elster zur französischen Banque Populaire – Caisse d’Epargne. Aktuell hat Wero nach eigenen Aussagen über 40 Millionen Nutzer, die vor allem in Frankreich und Belgien zu finden sind. Die derzeit „hohe Nutzerzahl“ gründet sich zu großen Teilen in Zukäufen nationaler Payment-Schemes, wie z. B. Paylib in Frankreich, Payconiq in Belgien und iDeal in den Niederlanden. In Deutschland haben die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie viele PSD- und Sparda-Banken bereits eine Wero-Schnittstelle in ihren Banking-Apps eingerichtet. Nach aktuellem Kenntnisstand verzeichnet die Instant-Payment-Lösung hierzulande rund 1,8 Millionen Nutzer. Inzwischen hat auch die ING ihr Online-Banking um die Wero-Funktionalität erweitert. Damit sind nun zumindest die großen Endkunden-Banken mit einem Wero-Angebot am Markt, wenn auch dieses durch die besagten Banken Marketing-technisch noch nicht an die große Glocke gehängt wurde. Vielleicht befürchtet man den „Haribo-Effekt“, der immer noch als Negativ-Beispiel eines bekannten Markteinstritts in die deutsche Akzeptanzwelt nachhallt.

Nun nimmt Wero also mit dem Einstieg ins E-Commerce den nächsten Meilenstein in den Blick. Doch der Gang ins Händlergeschäft ist technisch, rechtlich und organisatorisch alles andere als trivial: Denn hier bedarf es, anders als bei den oben genannten Peer-to-Peer-Zahlungen (P2P), bei denen ein Geldbetrag von einer Privatperson zur anderen fließt, einer Akzeptanzstelle und damit einer weiteren Instanz – des Acquirers.

Im Händlergeschäft spielen Acquirer in verschiedener Hinsicht eine zentrale Rolle:

Die Herausforderung: Instant Payment trifft auf Batch-Verarbeitung

Und genau hier liegt für Wero eine zentrale Herausforderung beim Einstieg ins Händlergeschäft: Denn während dieses neue Bezahlinstrument auf die sofortige Abwicklung einzelner Transaktionen ausgelegt ist (wir erinnern uns an die Verarbeitung mittels SEPA Instant), arbeiten Acquirer nach dem Prinzip der Sammelverarbeitung – sie sammeln Transaktionen über einen definierten Zeitraum, verarbeiten sie gebündelt und überweisen dann Sammelbeträge an ihre Händler. Autorisierung und Authentifizierung sind vom eigentlichen Geldfluss getrennt und werden oft auch auf technisch nicht direkt miteinander verbundenen Plattformen verarbeitet.

Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Instant-Payment-Prinzip von Wero und der Sammelverarbeitung der Acquirer führt in der Backoffice-Verarbeitung der Payment-Dienstleister an der ein oder anderen Stelle zu Herausforderungen, deren Lösung oftmals nicht trivial herbeizuführen ist. Da der Scheme-Betreiber von Wero, die EPI Company, die eigentliche Zahlungstransfer-Tätigkeit an die kontoführenden Banken bzw. die Acquirer „ausgelagert“ hat, ist das Scheme selbst kein SEPA-Teilnehmer. Zwangsläufig werden bestimmte Transaktionsdaten, welche auf dem Scheme-Host verarbeitet werden, nicht über das SEPA-Framework übertragen. Das wiederum führt zu Anpassungs-Notwendigkeiten bei den Acquirern, die mitunter zur Prüfung eingehender Zahlungen Zusatzdaten aus anderen Quellen, die nicht SEPA-orientiert sind, einholen müssen, um diese dann zielgenau einem Händler zuordnen zu können. Genau diese Nuancen in der Datenverarbeitung der Wero-Transaktionen haben aber in den vergangenen Monaten bei den angeschlossenen Acquirern zu erhöhtem Aufwand geführt.

Vor allem aus diesen Gründen zeichnen sich derzeit zunehmend prozessuale Herausforderungen ab, welche den großen Einstieg in das Händlergeschäft noch verzögern könnten. EPI hält in Kooperation mit den kontoführenden Banken und den angeschlossenen Acquirern zunächst weiter am Starttermin 2025 fest. Und damit ist davon auszugehen, dass erste Händler zwar live gehen, die Verarbeitung aller möglicher Transaktionsvorfälle aber mitunter semi-automatisiert oder vielleicht auch nur eingeschränkt erfolgen kann.

Vier Gründe, warum Wero trotzdem erfolgreich sein kann

Ungeachtet dieser Herausforderungen hat Wero nach unserer Auffassung gute Chancen, sich am Markt durchzusetzen. Dafür sprechen mehrere Faktoren:

  1. Strategische Zukäufe als Starthilfe: EPI hat aus den Erfahrungen früherer Initiativen gelernt, dass der Aufbau eines Zahlungssystems „from scratch“ schwierig ist. Um nicht bei null anfangen zu müssen, hat EPI deswegen gezielt etablierte nationale Zahlungssysteme aufgekauft, darunter iDeal in den Niederlanden und Payconiq in Belgien. Gerüchten zufolge könnten ggf. auch andere lokale Zahlverfahren diesem Beispiel folgen und von Wero übernommen oder in Wero aufgehen und somit die Marktdurchdringung stärken. Durch mögliche Zukäufe oder Übernahmen kann EPI die Nutzerbasis auf mehrere Millionen europäischer Konsumenten, die bereits mit den jeweiligen nationalen Systemen zahlen, erweitern. Aktuell gründen sich die von EPI kommunizierten Transaktionszahlen vor allem in diesen Übernahmen aus dem P2P-Geschäft. Die Marktdurchdringung wird aber auch durch strategische Kooperationen verfolgt und dabei spielt insbesondere die angekündigte Partnerschaft mit der European Payments Association (EuroPA) eine entscheidende Rolle. Die im Juni 2024 gegründete EuroPA ist ein Zusammenschluss führender nationaler Zahlungssysteme aus mehreren europäischen Ländern, Mitglieder sind u. a. Bizum (Spanien), Bancomat (Italien), MB WAY (Portugal) und Vipps MobilePay (Skandinavien). Durch diese Zusammenarbeit kann ein Netzwerk entstehen, das bestehende nationale Zahlungssysteme erstmals grenzüberschreitend interoperabel machen soll.
  2. Eine europäische Alternative im digitalen Zahlungsverkehr: Wero ist „Made in Europe“, was einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil bedeuten könnte. Viele europäische Zahlungsnutzer und Konsumenten sind zunehmend skeptisch gegenüber der Datensammelpraxis amerikanischer Tech-Giganten. Wero positioniert sich hier als europäische Alternative, die der strengen europäischen DSGVO unterliegt und ein höheres Maß an Datenschutz und finanzieller Souveränität verspricht. Gleichermaßen verpflichtet sich EPI den Verordnungen der EBA und unterbindet somit von vorneherein etwaige Streitigkeiten aufgrund fehlender Compliance, wie sie in der Vergangenheit bei den amerikanischen Zahlungsgiganten das ein oder andere Mal sehr langwierig vor den europäischen Gerichtshöfen ausgekämpft wurden.
  3. Trumpfkarte SEPA Instant: Wero wird immer direkt mit SEPA Instant Überweisungen in Verbindung gebracht und die EPI-Marketing-Abteilung wird auch nicht müde, dieses Verfahren als Trumpfkarte zu verkaufen. Das ist, betrachtet man den P2P-Aspekt dieser Zahlart, auch sicherlich ein signifikanter Vorteil zu anderen Bezahlsystemen. Konzentriert man sich aber auf das Akzeptanzgeschäft, also wo der Händler seinen Kunden die Zahlart Wero als Zahlmedium anbietet, sieht das etwas anders aus. Bedingt durch den Intermediär „Acquirer“, der ja die Händler-Auszahlung verantwortet, nimmt der Händler entgegengenommene Wero-Zahlungen nicht mehr real-time wahr. Er erhält zwar vom Acquirer real-time die Information, dass die Zahlung erfolgreich verarbeitet wurde, und kann hierdurch seine Versandprozesse darauf ausrichten. Er erhält die dazugehörigen Gelder aber erst mit dem Auszahlungszyklus, welchen er mit dem Acquirer vereinbart hat. Eine wirkliche Echtzeitüberweisung zwischen Wero-Wallet-Inhaber und Händler findet also streng-genommen nicht wirklich statt, wohl aber ist eine erfolgreich bestätigte Transaktion final und der Händler kann somit sicher sein, sein Geld zu erhalten und z. B. die Ware umgehend bereitstellen oder versenden.
    Das so beschriebene Auszahlungsmodell unter Zuhilfenahme der Rolle des Acquirers ist EPI-Regel-konform, denn die aus den Wero-Zahlungen resultierenden Beträge erhalten die Acquirer in real-time. Hier übervorteilt sich aber nicht der Acquirer selbst (indem er Gelder zu seinem eigenen Vorteil puffert), sondern kommt vielmehr einer Forderung des Händlers nach, der ungern Unmengen von Einzelüberweisungen auf seinem Konto entgegennehmen und dann auch noch verbuchen und abgleichen muss. Eine Aufgabe, die bei anderen Zahlarten ebenfalls durch den Acquirer erledigt wird.
  4. Finanzkraft der Shareholder: EPI verfügt über finanzstarke Shareholder, die bereit sind, weiter in Wero zu investieren. Diese Shareholder sind nicht nur Investoren, sondern oftmals – vor allen Dingen auf der Konsumenten-Seite – auch direkte Scheme-Teilnehmer. Auch dieses Konzept birgt ein wenig Fluch und Segen zugleich. Die Shareholder auch als Systemteilnehmer „zu beschäftigen“ hat den Vorteil, dass diese durch zielgerichtete Anpassungsmaßnahmen im Scheme ihre eigene Investition sichern können. Andererseits führt aber das noch vorhandene Ungleichgewicht zwischen Acquirern und Konsumenten-Banken immer wieder zu einseitig beeinflussten Entscheidungen, die gerade dem anstehenden Start in die Akzeptanz-Welt nicht nur förderlich sind. Dabei sind die Kosten eines der für Händler ultimativ wichtigen Themen, die mit einer Wero-Zahlung im E-Commerce wie auch im stationären Handel verbunden sind. Gerade hier punktet EPI an zwei „Baustellen“:
    1. Es gibt Gerüchte und Interviews, dass die Transaktionskosten vergleichsweise gering im Vergleich zu internationalen Bezahlsystemen sind, aber auch im Vergleich zu nationalen Bezahlsystemen. Gewisse Nuancen sind immer noch vorhanden, da die teilnehmenden Acquirer in eigenem Ermessen die Verkaufspreise beeinflussen können
    2. Das Zahlungsausfallrisiko ist deutlich geringer, da Wero-Zahlungen immer durch den Wallet-Inhaber vorab autorisiert werden, denn nur so kann daraus dann eine SEPA Instant Überweisung generiert werden.

Ein entsprechender Vorteil sollte somit für Händler recht schnell ableitbar sein.

Fazit: Es bleibt spannend

Der Erfolg von Wero im E-Commerce wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die Herausforderungen bei der Integration in bestehende Acquirer-Prozesse zu meistern. Das jetzt kurz vor dem Launch stehende Akzeptanzgeschäft ist nicht nur eine Erweiterung des bestehenden P2P-Geschäfts, sondern vielmehr der alleinige Booster, der dem Scheme die notwendige Größe verschaffen kann, um auch auf internationaler Ebene als etablierte Konkurrenz wahrgenommen zu werden.
Um diesen Schritt jetzt schnellstmöglich in die breite Masse der Akzeptanzstellen, also der E-Com- (und dann später auch POS-) Händler, voranzutreiben, ist EPI als Scheme-Betreiber gefragt, die schon erwähnten Hürden bei den Acquirern im Einklang mit dem Sachverständnis der Konsumenten-Banken zu meistern. EPI ist in dieser Rolle nicht nur Diskussionsleiter, sondern vielmehr die zentrale Koordinierungsstelle, deren Scheme mit Lösungen aufwarten muss, die beide Seiten zufrieden stellt. Keine triviale, aber dennoch lösbare Aufgabe.
Außerdem wird es spannend zu beobachten sein, ob Wero durch organisches Wachstum des Wallets expandiert oder Wachstum vor allem über weitere Fusionen mit nationalen Debit-Zahlungsverfahren generiert wird, deren Bestandsgeschäft einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von EPI haben kann. Und am Ende muss es natürlich auch dem Verbraucher bzw. Endkunden schmecken, den der ist natürlich auch maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolgs eines neuen Zahlverfahrens.

Und was kommt 2026?

Neben der Herausforderung, die Acquirer von der Wero-Logik der Transaktionsverarbeitung zu überzeugen oder aber deren Prozesse mit der EPI-Transaktionslogik in Einklang zu bringen, arbeitet EPI derzeit bereits intensiv an der Vorbereitung des POS-Rollouts. Angesichts der sich bereits im E-Commerce ergebenen Verzögerungen, könnte es ratsam sein, zunächst einmal die Hürden des Akzeptanzgeschäftes zu meistern, bevor man sich dem Terminalgeschäft nähert. Es bedarf sicherlich einer sorgsamen Vorbereitung des POS-Rollouts, aber vielleicht macht es zum jetzigen Zeitpunkt mehr Sinn, die vorhandenen Ressourcen auf den E-Commerce-Rollout zu konzentrieren und diesen optimal zu koordinieren. Erst mit einer soliden Akzeptanz-Verarbeitung macht eine weitere Planung in Richtung des stationären Geschäfts Sinn.