Während die Bürger in Deutschland neue und innovative Bezahlformen jenseits von Bargeld, mobile-only Banken und weitere, u.a. durch Fintechs getriebene Entwicklungen rund um Prozesse der Zahlung im Privatgebrauch bewusst oder unbewusst verwenden, stockt die Nutzung innovativer Verfahren in anderen Bereichen der Banken. Die Rede ist von dem komplexen Themengebiet des Corporate Bankings, hier im Speziellen mit Blick auf den Zahlungsverkehr.
Wir fangen mit einem Beispiel an: „Helfen Sie bitte dem Prokuristen der Firma XY beim Ausfüllen des Überweisungsträgers und reichen danach noch die Diskette für den Gehaltslauf ins Back-Office ein?“ Kommt Ihnen das auch bekannt vor? So oder so ähnlich könnte sich nämlich die Anfrage des Kassierers in der Ausbildung einer Bankkauffrau oder eines Bankkaufmanns angehört haben.
Die Ausbildung wurde vor Jahren beendet und (zum Glück) hat sich im Zahlungsverkehr abseits von Bargeldzahlung und Konto einiges getan. Oder ist der Unterschied zu damals gar nicht so groß? Zum Vergleich: Vor gut 10 Jahren präsentierte Steve Jobs das erste iPhone. Wenn man bedenkt, welche Entwicklungsstufen das iPhone als Smartphone seitdem durchlaufen hat, dann ist die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs bei Corporate Banking Kunden in der letzten Dekade sehr zurückhaltend verlaufen.
Anforderungen an den Zahlungsverkehr unterscheiden sich wesentlich bei den Nutzern (Privatkunde oder Firmenkunde). Die Vordenker, Digital Natives und Technik-Nerds legen in ihrem privaten Umfeld Wert auf eine ansprechende User Experience und innovative Features. Sie wollen weit über das Onlinekonto allein inzwischen sämtliche Facetten des Bankgeschäfts digital genießen. Unternehmen achten jedoch viel stärker auf Fragestellungen wie Sicherheit, Datenschutz, Stabilität der Systeme und dem (leider) allseits bekannten „never change a running system (in gut schwäbisch „des isch halt so…“). Trotz verstärkter privater Neugierde nach innovativen, digitalen Produkten rund um Finanzen und Geld bleibt der Fortschritt bei Firmenkunden nahezu aus.
Ein Unternehmen hat zwei wesentliche Anforderungen an seinen Zahlungsverkehr
1.) Erhalt von Informationen in Form eines (elektronischen) Kontoauszuges und
2.) das Ausführen des Zahlungsverkehrs (z.B. Überweisung)
Gesteuert wird dies meist über ein Electronic Banking-System. Kommunikation ist in weiten Teilen über den EBICS Standard definiert. Vor allem die SEPA Einführung war und ist für viele Firmenkunden ein (erster) großer Schritt in Richtung Professionalisierung des Zahlungsverkehrs (ZV) gewesen. Das bewusste Auseinandersetzen mit dem bestehenden Weg des ZV-Managements zeigte den Status Quo auf und verdeutlichte die Stärken aber vor allem auch die Schwachstellen. SEPA gab dem Cash Manager/Treasurer ein Werkzeug an die Hand, welches bei richtigem Einsatz die Effizienz steigerte und weiterhin steigern kann. Durch die Einführung von SEPA wurden z.B. Formate definiert, die im SEPA Raum identisch sind und somit über die Landesgrenzen hinweg Zahlungsverkehr einfach gestaltet.
Nun kommen jedoch einige Einschränkungen hinzu. Sehr häufig nutzen v.a. mittelständische Unternehmen Systeme für den Zahlungsverkehr und die Kontoverwaltung, die zwar die Mindestanforderungen an ein Electronic Banking-System erfüllen, eine Modernisierung, Automatisierung und Professionalisierung des Zahlungsverkehrs innerhalb der Unternehmen jedoch ausbremsen. Woran liegt das? Gewohnheit, Angst vor Veränderungen, persönliche Vorlieben, kein Vertrauen in nachkommende Generationen und Technologien?
Schnell sind wir beim Henne-Ei Problem. Sollten Banken den Weg vorgeben und ihre eigene Digitale Agenda den Unternehmen aufdrücken und z.B. moderne Electronic Banking-Systeme mit tollen Features am besten über die Block Chain (etwas überspitzt) und schnittstellenoptimiert anbieten? Oder muss dieser Impuls auch von den Unternehmen ausgehen? Müssen die Banken ihre Kunden hier noch viel stärker in die Pflicht nehmen oder muss hierfür erst ein gegenseitiges Verständnis hergestellt werden? Ist ein solches, ja fast schon kooperatives, Verhalten überhaupt möglich oder ist das Kunde-Dienstleister Verhältnis hierfür zu stark ausgeprägt?
Laut einer Studie der Commerzbank gemeinsam mit der FH Mittelstand möchten Unternehmen heute jederzeit ihre Liquidität und Zahlungsströme ganzheitlich steuern. Früher wurde verwaltet, heute effizient, aktiv und professionell gesteuert – auch durch den Einsatz von Software. Gründe hierfür sind Transparenz, verringerte Transaktionskosten, konzerninternes Liquiditätsmanagement und Automatisierung. Ein Cash Management System/Electronic Banking-System nutzen mittlerweile ca. 50 Prozent aller Unternehmen (sowohl im Large Corporates Bereich als auch bei KMUs).
Trotz des Einsatzes eines Electronic Banking-Systems nutzen lediglich 10 Prozent der Unternehmen auch den Zugriff über eine App auf Mobilfunkgerät oder Tablet. Anders als im Privatgebrauch, wo mittlerweile eine Vielzahl an Drittanbietern auf unsere Finanzdaten zugreift, wollen Unternehmen nicht, dass ihre Daten von Drittanbietern genutzt werden (ausgeschlossen hiervon sind Steuerberater/Wirtschaftsprüfer). Dies gaben 75 Prozent der Befragten an. Eine ähnlich hohe Zahl an Nutzern von Cash Management Systemen erwartet u.a. aus den genannten Gründen von Datenschutz und Sicherheit keine Vernetzung des Cash Management mit anderen innerbetrieblichen Systemen. Verwunderlich, wenn man sich die bereits beschriebene Innovationsneugierde im privaten Umfeld und Digitalisierungsaktivitäten in anderen Bereichen eines Unternehmens anschaut.
Dennoch bemühen sich viele Mitarbeiter in Finanzabteilungen und haben den Anspruch, die lange gewachsenen Strukturen Stück-für-Stück in die moderne und digitale Welt zu transformieren. Keine Quantensprünge, sondern den Gegebenheiten angepasst. An dieser Stelle kommen dann die Banken ins Spiel.
Aus der Attraktivität und dem Ertragspotenzial der Firmenkunden sollten sich die hiesigen Banken Ableitungen überlegen. Das Vertrauen ist weiterhin groß, die Wechselhürden nach dem Einrichten eines funktionierenden Electronic Banking-Systems samt Zahlungsverkehr hoch. Genügend Gründe auch in Zukunft als Dreh- und Angelpunkt der Finanzen eines Firmenkunden zu fungieren. Zeit zum Ausruhen bietet sich jedoch nur bedingt. Die Banken befinden sich in einem kompetitiven Verdrängungsmarkt und werden durch große ausländische Bankinstitute und vor allem Technologiekonzernen attackiert.
Banken bieten ihren Kunden häufig Kooperationen mit Partnern oder errichten Plattformen, die den Kunden vermeintliche Mehrwerte liefen, ohne auf die konkreten Wünsche der Kunden einzugehen. Die vielen guten Ideen von Fintechs und Ansätze aus dem eigenen Haus werden als unfertiges Stückwerk ohne (gefühlt) klare Strategie dem Kunden zur Verfügung gestellt. Ob der konkrete Bedarf vorhanden ist, wird häufig erst im nächsten Schritt hinterfragt. Die Entwicklungen innerhalb der Banken werden somit unabhängig vom Kunden und in vielen Fällen am Kunden vorbei entwickelt.
Banken wollen durch Beratungsstärke und Fachwissen dem Kunden ihre Dienstleistungen schmackhaft machen. Die Transaction Banking Abteilungen beraten ihre Kunden mit Experten zu allen Themen und Informationen rund um das Transaktionsgeschäft. Gerade komplexere Themen, wie der Verkauf und die Zahlung einer Maschine oder die Erbringung einer Dienstleistung im Ausland sind komplex, grenz– und währungsübergreifend und benötigen die Expertise oder das Korrespondenzbankennetz der Bank. Hier haben die Banken aktuell noch ein sehr großes Asset, dass es zu verteidigen gilt. Viele neue Player am Markt, man denke zum Beispiel an Transferwise beim Auslandszahlungsverkehr, bilden Dinge ab, die ursprünglich eine traditionelle Bankendomäne sind (siehe hierzu auch den Blogartikel von Michel Hilker „Quo vadis AZV“).
Banken wollen darüber hinaus nicht nur ihre Firmenkunden glücklich machen, sondern auch ihre eigenen Prozesse weiter vorantreiben. Denn um einen Kunden ein innovatives Produkt anzubieten muss man selbst auch eine innovative Bank sein, die diese Produkte auch bereitstellen und ausführen kann. Häufig ein Bruch im Gedankenspiel zwischen dem Wunschgedanken „moderne Bank“ und Realität.
Wir sehen, dass eine Professionalisierung und ein gewisses Umdenken in den Finanzabteilungen von Unternehmen begonnen hat. Der Wunsch nach Veränderungen ist da, gleicht aber aus Sicht der jeweiligen Abteilungen häufig einer Operation am offenen (ZV-) Herzen. Eine Anpassung ist nur Schritt für Schritt möglich. Die Bank muss systemseitige Voraussetzungen schaffen, um neue Systeme, Prozesse und Anforderungen umsetzen zu können und nicht auf ihrer „Legacy“ sitzen bleiben. Das oft genannte „vom Kunden her denken“ muss auch im Corporate Banking weiter stark im Fokus stehen. Ein Alleingang der Banken sollte vermieden werden.
Die Unternehmen müssen den Wandel ihrer Systeme einleiten und eng begleiten, eine starke Selbstverpflichtung der ausführenden Mitarbeiter und des Managements muss vorliegen. Das aktive Auseinandersetzen mit dem Thema Zahlungsverkehr muss ein wesentlicher Bestandteil des Stellenprofils sein.
Ein Großteil der mittelständischen Unternehmen sollte der nachkommenden technischen wie personellen Generationen in den Finanzabteilungen die Chance geben, neue Ansätze zu implementieren und diesen Ansätzen sowie den Ausführenden zu vertrauen. Sonst bleibt der Wunsch nach Fortschritt nur ein Wunschgedanke – und dies nicht nur den Zahlungsverkehr betreffend.